Der junge Häuptling
schienen sich nochmals auf die Suche nach Tschetansapa zu machen.
In den Zelten harrten und lauschten alle und hofften, daß Tschetansapa entkommen möchte. Wie Schnecken krochen die tatenlosen Wartestunden dahin. Es wurde Mittag, Nachmittag und Abend. Zur Zeit der Dämmerung entstand Lärm. Die Männer, die zur Verfolgung Tschetansapas ausgesandt waren, kehrten von ihrer Suche erfolglos zurück.
Am nächsten Morgen ritten die Dragoner fort. Die indianischen Kundschafter, die zugleich die Rolle von Polizisten spielten, folgten einen Tag später. Aber tags darauf ließ sich schon wieder eine andere Truppe sehen. Von den versprochenen Lebensmittellieferungen war jedoch noch nichts eingetroffen. Hapedah und Tschaske, Blitzwolke und Eidechse wurde vor Hunger elend, aber sie quälten niemanden mit Bitten. Ihre Wangen waren hohl, die Hände mager. Aus einem lagernden Militärtrupp kam einer her und wollte Blitzwolke eine geöffnete Fleischdose geben. Der Geruch ekelte das Mädchen an, und sie haßte den Mann, weil er zu den Feinden gehörte. Vielleicht wollte er später erzählen, daß er junge Dakota wie hungrige Hunde gefüttert habe? Blitzwolke war voll Schmerz und Mißtrauen und wandte sich stumm und verachtend ab. Der Mann ging, die verschmähte Dose in der Hand, zu seinen Leuten zurück und wurde von seinen Kameraden ausgelacht. Auch diese Truppe rückte wieder ab, und von Lebensmittellieferungen war noch immer nichts zu sehen.
In der vierten Nacht, als alles ringsum still und öde lag, wurde der Knabe Hapedah auf seinem Lager aufgeschreckt. Er hatte müde, aber schlaflos in seinen Decken gelegen. Da bemerkte er, daß sich am Zelteingang etwas rührte, und auf einmal erkannte er, daß es sein Vater Tschetansapa war, der durch den Zeltschlitz hereinkroch. Die Mutter schlief aus Erschöpfung so tief, daß sie nichts bemerkte, und der Vater legte den Finger an die Lippen und bedeutete, daß Hapedah die Mutter nicht wecken sollte.
Tschetansapa suchte nach den Bastbinden. Der Junge wußte, wo die Mutter sie jetzt aufbewahrte, und half dem Vater, die Wunden zu verbinden. In zwei Wunden mußten Splitter stecken. Sie begannen bereits zu eitern. Hapedah brachte dem Vater drei Eidechsen, die er gefangen hatte, und Tschetansapa verschlang sie. Der Junge dachte auch sofort daran, daß der Vater einen Winterpelzrock und eine Büffelfelldecke brauchte. Tschetansapa nahm die Sachen an sich und gab dabei dem Jungen einen Auftrag. Tschapa Kraushaar und Tschotanka müßten zur Agentur reiten und dort Lebensmittel verlangen. Ihasapa und Speerspitze aber sollten sich aufmachen und erkunden, was aus den Oberhäuptlingen geworden sei.
»Kommst du noch einmal, Vater?« flüsterte der Junge.
»Ich halte mich in den Felsen versteckt. Wenn die Verräter und Kojoten nicht da sind, komme ich jede dritte oder vierte Nacht ins Zelt. Wenn ich nicht kommen kann, so suche auch nicht nach mir, es sei denn, daß irgend etwas Großes und Wichtiges geschehen ist. Dann gib mir Nachricht bei dem Felsen, der aussieht wie ein Geierkopf.«
Tschetansapa verschwand wieder, heimlich, wie er gekommen war.
Als die Nacht sich ihrem Ende zuneigte, stand Hapedah auf. Es war die Stunde vor Sonnenaufgang. Da es so wenig Wasser gab, rieb sich der Junge mit Schnee ab. Beim ersten Dämmerschein holte er Tschapa Kraushaar aus dem Zelt der sieben Weiber heraus und berichtete ihm heimlich die Botschaft Tschetansapas.
»Gut – ja – gut.« Auch in Tschapas Glieder schien neues Leben zu fließen, da es etwas zu tun gab. »Gut. Dein Vater hat auch die richtigen Männer ausgewählt. Keiner von uns vier wird Tschetansapa verraten. Geh du ins Zelt, Hapedah, oder spiele. Ich gebe den Auftrag weiter.«
Als die Sonnenstrahlen über Ödland und Zelte flossen, waren vier Krieger aufbruchbereit. Tschapa Kraushaar und Tschotanka lenkten ihre Tiere südwärts in Richtung der Agentur. Dort saßen die weißen Männer, die wie in einem großen Gefangenenlager über die Dakota zu schalten und zu walten befugt waren. Ihasapa und Speerspitze machten sich zu Fuß auf ihren Weg. Niemand hinderte die vier, sich zu entfernen.
Hapedah traf sich mit Tschaske, seinem Freund und Mitanführer der Jungen Hunde. Sie berieten miteinander und beschlossen, daß die Mitglieder des Bundes auf Vogeljagd gehen müßten. Schlingen konnten sie legen, und auch Steine waren eine Waffe. Der Hunger war groß, und die Frauen schlachteten wieder Hunde. Aber da die beiden Anführer der Knaben mehr
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