Der junge Häuptling
Untschida schweigend zur Hand. Das Geschoß im Schenkel des Bibers saß tief; es mußte herausgeschnitten werden, und sein Blut schoß im Strahl, bis es Hawandschita und Untschida gelang, die Wunde abzubinden. Die Frau des Alten Raben hatte einen Brustschuß. Ihre Augen brachen. Ihasapas Bruder, ein Knabe von zehn Jahren, verblutete unter furchtbaren Schmerzen.
Auch unter den Dragonern, die im Kreis gestanden und überhastet geschossen hatten, gab es Tote und Verwundete.
Um die Mittagszeit war die Durchsuchung des Lagers nach Waffen beendet. Die Lagernden wurden aufgescheucht. Die Wanderzüge mußten sich wieder formieren, und die wehrlosen Männer mit ihren Frauen und Kindern wurden nach verschiedenen Richtungen zu den für sie bestimmten Wohnplätzen in der Reservation getrieben. Die Verwundeten, Sterbenden und Toten schleppten sie mit.
Ihasapa hatte den verletzten Biber, der nicht mehr reiten konnte, zu sich aufs Pferd genommen. Die Toten lagen, in Lederdecken eingeschlagen, in den Rutschen. Mongschongschah hatte die Trage mit dem toten kleinen Kind auf dem Rücken. Mit leerem Blick schaute sie vor sich hin und schien selbst ihren Sohn Hapedah nicht mehr zu sehen.
Der Zug ging jetzt nordwestwärts, hinein in immer wüsteres Gebiet. Bizarre Felsen wuchsen unmittelbar aus dem Boden auf. Die Dragoner trieben zur Eile. Einige ihrer Schimpfwörter kannte auch Blitzwolke schon. Am zweiten Abend nach dem Gemetzel wurde wieder Halt befohlen. Der künftige Wohnplatz der Bärenbande war erreicht.
Blitzwolke sah sich um. Rings war eine große Einöde um sie, viel Sand und verwitternder Stein, das Gras karg, das Wasser spärlich. Tschetansapa und Hawandschita gaben Anordnung zum Aufstellen der Zelte. Die Frauen und Männer stiegen von den Mustangs. Die Männer und Knaben sammelten die Pferde. Blitzwolke stellte mit Honigblüte das Tipi des Bibers auf und schleppte mit der Schwester die Habseligkeiten hinein. Dann ging sie vor das Lager, um der Bestattung der drei Toten beizuwohnen. Sie wurden, in Lederdecken eingeschnürt, auf den Ästen eines abgestorbenen Baumes befestigt und waren so vor Wölfen geschützt.
Auch das geschah unter vollständigem Schweigen. Das Verstummen war die einzige Form der Klage und der Anklage, die den Unterworfenen gegen die Sieger noch geblieben war.
Als die Toten ihre Ruhestatt in Luft und Wind gefunden hatten, ging das Mädchen Blitzwolke zu Uinonah und Untschida. Von einem halb versickerten Tümpel holte sie etwas Wasser für das Zelt und machte sich auf, um beim Holzsammeln zu helfen. Untschida ging mit ihr, aber Uinonah blieb im Zelt, ganz allein.
Als Blitzwolke mit Untschida zurückkam, hatte Uinonah die Feuerstelle schon vertieft.
»Ihr könnt Essen holen«, sagte sie mit ihrer eigentümlich klanglos gewordenen Stimme.
»Tschetansapa gibt aus den Vorräten aus.« Blitzwolke lief hinaus, um den kärglichen Anteil des Zeltes für die einzige Mahlzeit des Tages in Empfang zu nehmen. Uinonah blieb im Hintergrund des Tipi; sie setzte sich, und Untschida kam zu ihr herbei. Die beiden Frauen sagten aber nichts zueinander. Als Blitzwolke zurückkam, schenkte ihr Uinonah den eigenen Anteil. Das Mädchen wollte ein solches Geschenk nicht annehmen, aber Uinonah war mit ihren Gedanken schon wieder abwesend und schien nicht mehr zu hören, was Blitzwolke sagte.
So aß das Mädchen und schaute sich dabei in dem Zelt um, das das Zelt Mattotaupas und das Zelt Tokei-ihtos gewesen war. Irgend etwas war verändert, und Blitzwolke nahm jetzt auch wahr, wo sich etwas verändert hatte. Das Fell des großen grauen Bären, den Mattotaupa einst mit Hilfe seines elfjährigen Sohnes Harka erlegt hatte, hing nicht mehr an der Zeltstange. Es lag auf der Erde. Blitzwolke suchte, was noch anders geworden war, und vermißte den weißen Bogen, den Knochenbogen Tokei-ihtos. Wo war er geblieben? Das Mädchen konnte sich nicht erinnern, daß Uinonah ihn den Langmessern gegeben hatte. Aber an den Zeltstangen hing er auch nicht.
Uinonah hatte das Messer ergriffen und schnitt zum Zeichen der Trauer ihre schwarzglänzenden langen Zöpfe ab. Während die Frauen still im Zelte blieben, standen die Männer, Burschen und Knaben draußen zusammen und schauten zu, wie die Dragonertruppe Konserven aß und das Nachtlager vorbereitete. Tschapa Kraushaar entnahm den Reden, daß die Dragoner am nächsten Tag zur Agentur zurückreiten wollten, und er sagte das den anderen. Tschaske merkte genau auf.
»Wollen die uns hier
Weitere Kostenlose Bücher