Der junge Häuptling
Zuversicht zeigten, wurden auch die anderen Kinder munterer, und diese belebtere Stimmung drang auf unsichtbarem Weg in alle Zelte.
Es verging ein Tag, der nächste, wiederum einer und noch einer. Die Jungen begannen zu spähen, ob von den vier Männern, die ausgezogen waren, noch keiner zurückkehrte. Am Morgen des fünften Tages bewegte sich etwas von Süden her! Hapedah und Tschaske holten sich ihre abgemagerten Mustangs und ritten entgegen. Was sie entdeckten, erschien ihnen sehr merkwürdig. Ein großer Leiterwagen wurde von zwei hornbewehrten, gefleckten, klapperdürren Tieren höchst widerwillig gezogen. Hinten am Wagen waren noch vier solcher Tiere angehängt; sie folgten ungern, stolpernd, mit langgestrecktem Hals und Kopf. Tschapa Kraushaar saß auf dem Wagen und trieb die Zugtiere an. Sein Mustang wurde von Tschotanka geführt, der im Schritt hinterherritt.
Diese Kolonne machte bei den Zelten halt. Das eine der Zugtiere brach vor Schwäche zusammen.
Die Männer, Frauen und Kinder aus den Zelten versammelten sich und fragten stumm, nur mit den Augen, was Tschapa Kraushaar und Tschotanka nun wohl unternehmen würden.
Tschapa Kraushaar war vom Wagen abgesprungen und spannte die beiden Kühe aus, die gezogen hatten. Hapedah und Tschaske halfen ihm. Diese Tiere, meinten sie, hätten eine entfernte Ähnlichkeit mit Büffelkühen, da sie Hörner, vier Beine und ein Fell besaßen, aber für die Nase der Indianerjungen war der Geruch dieser Tiere ein süßlicher Gestank.
Tschapa Kraushaar selbst war den Tränen nahe. »Sechs Kühe!« sagte er. »Aber wir können sie nur schlachten, denn sie sind am Krepieren, und hier bei unseren Zelten finden sie im Winter überhaupt kein Futter!«
Tschotanka hatte die vier Kühe abgehängt, die hinter dem Wagen gelaufen waren. Es blieb den Männern nichts anderes übrig als zu tun, was Tschapa gesagt hatte. Sie zogen die Messer und schlachteten die Tiere, die einen Widerstand überhaupt nicht mehr leisten konnten.
An diesem Morgen begriffen die Knaben und Mädchen den Unterschied von Jagen und Schlachten. Aber was das heißen sollte, Tiere züchten, konnten sie an diesem Beispiel nicht lernen.
Hawandschita kam herbei. Er bestimmte mit Tschotanka zusammen, wie das Fleisch verteilt werden sollte. Dann machten sich die Männer daran, die geschlachteten Tiere abzuhäuten. Die Frauen mußten die hungrigen Hunde mit Peitschen fortscheuchen. Hapedah, Tschaske, Blitzwolke und Eidechse standen mit den anderen Männern, Frauen und Kindern um den leeren Wagen herum. Tschapa war der einzige, der überhaupt mit einem Wagen umzugehen verstand. Aber was sollte denn auf diesem Wagen transportiert werden? Die Zeit der großen Wanderungen war vorbei. Erntegut gab es nicht, Felle und Häute, die zum Verkauf gebracht werden konnten, gab es nicht. Aber der Winter begann, in den Zelten war es kalt, und es mangelte an Holz. So beschlossen die Männer, den Wagen auseinanderzubrechen und die Teile zu verfeuern. Tschapa stellte ein Rad bei seinem Zelt beiseite. Er wollte genau studieren, so erklärte er Blitzwolke, wie ein solches Rad konstruiert war.
Dies alles war geschehen, und drei weitere Tage waren vergangen, als auch Ihasapa und Speerspitze in das Dorf zurückkehrten. Mit großen Erwartungen schauten die Mädchen und Knaben ihnen entgegen. Die Ratsversammlung wurde einberufen, und bald verbreitete sich in allen Zelten, was die beiden dort berichtet hatten. Sie waren weit umhergekommen auf der Reservation. Die Oberhäuptlinge aber hatten sie nicht gefunden. Im Norden der Black Hills sollte noch viel Schnee liegen. Der Winter in den nördlichen Prärien wollte nicht weichen. Einige der Oberhäuptlinge und ihre Kriegsscharen sollten oben im Norden über Eis und durch Schnee wandern. Es war nicht möglich, eine Botschaft von ihnen zu erhalten.
Wenn sie noch frei waren, so mußten sie sich mit ihren Männern vor den Langmessern verbergen, denn sie hatten nur noch wenig Munition und wurden verfolgt. Über die Dakota auf den Reservationen aber geboten jetzt neue Häuptlinge. Es gab drei große Reservationen, diejenige, auf der die Bärenbande sich befand, eine Nachbarreservation und eine nördlich am Mini-Sose oberhalb des Cheyenne-Flusses.
Das waren die Botschaften, die auch die Jungen und Mädchen glauben mußten. Es war keine Hilfe zu erwarten. Schonka hatte die Wahrheit gesprochen. Als die Nachrichten in ihrem ganzen Gewicht verstanden werden mußten und das Fleisch der mageren Kühe
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