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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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beide betrafen. Bruno gab nicht gern zu, dass er sich ein bisschen vor ihr fürchtete, aber wenn er ehrlich zu sich war – und das versuchte er immer zu sein –, musste er das zugeben.
    Gretel pflegte ein paar üble Gewohnheiten, wie es bei Schwestern nicht anders zu erwarten war. Morgens blieb sie beispielsweise viel zu lange im Bad, und es störte sie nicht weiter, wenn Bruno draußen stand und von einem Fuß auf den anderen hüpfte, weil er unbedingt mal musste.
    Auf den Regalen in ihrem Zimmer saßen jede Menge Puppen, die Bruno anstarrten, wenn er hereinkam, und ihm mit ihren Blicken überallhin folgten und jeden seiner Schritte beobachteten. Er war sicher, wenn Gretel nicht im Haus war und er ihr Zimmer erforschte, erzählten sie ihr hinterher jede Kleinigkeit von ihm. Sie hatte auch ein paar sehr unangenehme Freundinnen, die sich offenbar klug vorkamen, wenn sie sich über ihn lustig machten, eine Sache, die er nie getan hätte, wenn er drei Jahre älter gewesen wäre als sie. Allem Anschein nach gab es nichts, was Gretels unangenehmen Freundinnen mehr Spaß machte, als ihn zu quälen und gemeine Dinge zu ihm zu sagen, sobald Mutter oder Maria nicht in der Nähe waren.
    »Bruno ist nicht neun, er ist erst sechs«, sagte eine besonders gemeine Ziege immer in einem singenden Tonfall, tanzte dabei um ihn herum und stieß ihn in die Rippen.
    »Ich bin nicht sechs, ich bin neun«, protestierte er dann und versuchte, ihr zu entkommen.
    »Und warum bist du so klein?«, fragte die gemeine Ziege. »Alle Neunjährigen sind größer als du.«
    Das stimmte und war ein besonders wunder Punkt bei Bruno. Es war eine Quelle ständiger Enttäuschung für ihn, dass er nicht so groß war wie die anderen Jungen in seiner Klasse. Im Gegenteil, er reichte ihnen sogar nur bis zu den Schultern. Wenn er mit Karl, Daniel und Martin auf der Straße ging, hielten ihn die Leute manchmal für den jüngeren Bruder von einem der drei, dabei war er eigentlich der zweitälteste.
    »Du kannst nicht älter sein als sechs«, beharrte die gemeine Ziege, und dann rannte Bruno meistens weg und machte seine Streckübungen, in der Hoffnung, dass er eines Morgens aufwachen würde und ein ganzes Stück größer wäre.
    Es hatte also wenigstens einen Vorteil, nicht mehr in Berlin zu sein: Sie konnten ihn jetzt nicht mehr schikanieren. Wenn er eine Weile in dem neuen Haus bleiben musste, und sei es einen ganzen Monat, war er bei ihrer Rückkehr bestimmt ein Stück gewachsen, und dann konnten sie nicht mehr gemein zu ihm sein. Das durfte er keinesfalls vergessen, wenn er dem Vorschlag seiner Mutter folgen und das Beste aus einer schlimmen Situation machen wollte.
    Ohne anzuklopfen rannte er in Gretels Zimmer und erwischte sie dabei, wie sie ihr Puppenvolk auf verschiedene Regale im Zimmer verteilte.
    »Was willst du hier?«, brüllte sie und wirbelte herum. »Weißt du nicht, dass man das Zimmer einer Dame nicht betritt, ohne anzuklopfen?«
    »Du hast doch wohl nicht deine ganzen Puppen mitgebracht?«, fragte Bruno, der sich angewöhnt hatte, die meisten Fragen seiner Schwester zu ignorieren und lieber selbst welche zu stellen.
    »Natürlich«, erwiderte sie. »Hast du etwa gedacht, ich würde sie zurücklassen? Schließlich kann es Wochen dauern, bis wir wieder zu Hause sind.«
    »Wochen?«, sagte Bruno und klang enttäuscht, freute sich aber insgeheim, weil er sich schon mit der Vorstellung abgefunden hatte, einen Monat hier zu verbringen. »Meinst du wirklich?«
    »Na ja, ich habe Vater gefragt, und er meint, wir würden für die absehbare Zukunft hier sein.«
    »Was genau heißt absehbare Zukunft ?«, fragte Bruno und setzte sich auf ihre Bettkante.
    »Das heißt, von jetzt an ein paar Wochen lang«, erklärte Gretel und nickte dabei intelligent. »Vielleicht drei.«
    »Dann ist es gut«, sagte Bruno. »Solange es nur für die absehbare Zukunft ist und keinen ganzen Monat. Ich finde es grässlich hier.«
    Gretel musterte ihren kleinen Bruder und musste ihm ausnahmsweise recht geben. »Ich weiß, was du meinst«, sagte sie. »Hier ist es nicht sehr schön, wie?«
    »Es ist schrecklich«, sagte Bruno.
    »Ja, stimmt«, pflichtete Gretel bei. »Im Moment ist es noch schrecklich. Aber wenn das Haus ein bisschen herausgeputzt ist, sieht es vielleicht nicht mehr so schlimm aus. Vater hat gesagt, die Leute, die vor uns hier in Aus-Wisch gewohnt haben, hätten ihre Arbeit schnell verloren und keine Zeit mehr gehabt, das Haus für uns

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