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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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die Fäuste, wieder andere stierten in die Ferne und mahlten mit den Zähnen.
    Es waren keine Indianer, die die Skalps genommen hatten, sondern Grenzer aus Kentucky, die dies genauso taten wie Indianer. Im Schutze der Dunkelheit waren sie auf der Insel gelandet, hatten drei Posten überrascht, getötet, das Haus mit Vorräten angezündet und einen Teil der Herde massakriert, ehe die Schüsse des Wachkommandos sie vertrieben.
    »Was ist das nur für ein Krieg?« fragte Kapitän Brisbane den Offizier aus General Gages Stab, der ihm die Nachrichten überbrachte. »Wegelagereien, Raubüberfälle, Morde sind das, aber doch kein offener und ehrlicher Kampf!«
    »So ist es, Sir«, stimmte ihm der Adjutant zu, »und noch schlimmer! Der Feind sitzt mitten in der Stadt. Wir wissen nicht, wem wir trauen können, wer uns verrät oder gar aus dem Hinterhalt abschlachtet. Und wir haben Befehl, uns nur bei Angriffen zu verteidigen. Wen wundert es, wenn die Soldaten sich betrinken und über die Stränge schlagen. Ich wünschte, ich wäre weit weg von hier.«
    David gehörte zum Kommando, das zur Beisetzung der drei Toten entsandt wurde. Mr. Bates, der Dritte Offizier, hatte den Oberbefehl, der Zweite Leutnant der Seesoldaten begleitete mit einem Trupp seiner Männer die Seeleute, die mit Barkasse und großem Kutter bis Bulls Wharf ruderten und mit den drei Särgen bei Wheelers Port landeten.
    Die Seeleute schulterten die Särge, die Seesoldaten nahmen an der Spitze des Zuges Aufstellung, und sie marschierten durch Straßen, in denen kaum Menschen zu sehen waren. Selbst die Newbury Street, sonst voll mit Fuhrwerken und Fußgängern, war fast ausgestorben.
    Viele Häuser standen leer. In anderen lehnten Soldaten aus dem Fenster, Frauen kreischten im Hintergrund. Zivilisten waren kaum zu sehen. Die wenigen wandten sich ab, als sie den Trauerzug auf dem Weg zum Friedhof an der Frog Lane begegneten.
    Auf dem weiten Feld im Norden des Friedhofs standen die Zelte der vor wenigen Wochen eingetroffenen Regimenter. Befehle und Trommelschlag schallten herüber. Ein Geistlicher der Garnison sprach an den Gräbern.
    David hörte etwas von der Tragik dieses Sterbens, von den Irregeleiteten, die zum Schwert gegriffen hatten und durch das Schwert umkommen würden, und seine Gedanken wanderten weit fort. Wer hatte wohl am Grab seiner Eltern gepredigt? Was hatte er hier zu suchen in diesem feindseligen, unfreundlichen Land?
    Kommandos schreckten ihn hoch. Totengräber schaufelten die Gräber zu, während die Shannons schweigend und deprimiert den Rückweg antraten.
    In der Essex Street ließ Mr. Bates an einem Gasthof halten und bewilligte jedem ein Glas von dem billigen Neuengland-Rum, der hier nur ›Kill Devil‹ genannt wurde. Ein paar betrunkene Korporale eines Linienregimentes saßen in der Gaststube, schimpften, daß die Flotte keine Verpflegung brächte, als sie die Matrosen sahen und wurden vom Wirt besänftigt. Zumindest der Wirt gab sich als königstreuer Patriot und forderte die Shannons auf, die Rebellen zu Paaren zu treiben, während er seinen Fusel ausschenkte.
    »Halt!« schrie eine Stimme vom Hof. Krachen und Poltern war zu hören. Einer der Seesoldaten schleifte einen benommenen Matrosen in die Gaststube.
    »Er wollte desertieren, und ich hab ihm eins mit dem Kolben gegeben«, meldete er seinem Leutnant.
    Unter den Seeleuten rumorte es, und Schimpfworte gegen die roten ›Hummer‹ wurden gemurmelt. Mr. Bates nahm einen Wasserkrug vom Schanktisch und goß ihn dem Matrosen über den Kopf.
    »Wohin wolltest du denn hier desertieren, du Rindvieh? Wir sind doch praktisch auf einer bewachten Insel!«
    Der Matrose schüttelte den nassen Kopf und protestierte: »Aber ich wollte doch nicht desertieren, Sir. Ich mußte nur schnell raus, weil ich Durchfall habe.«
    Die Erinnerung war wieder da, und er griff sich an die Hose. Sein entsetztes Gesicht, der sich ausbreitende Gestank waren Zeugnis genug. Die näher sitzenden Matrosen begannen zu lachen, und schließlich grölten alle und prusteten ihre Schadenfreude hinaus. Der arme Kerl mußte sich im Hof säubern und mit nasser Hose zurückmarschieren.
    Als Mr. Bates Leutnant Grant den Vorfall erzählte, sagte der nur lakonisch: »Sinnbildlich für die Lage hier, Robert. Traurig, beschissen, nur Galgenhumor tröstet noch.«
    Am nächsten Morgen kam ein Boot vom Flaggschiff. Kaum war der Melder in die Kajüte des Kapitäns gegangen, da stürzte dieser mit einem Teleskop heraus, lief zur

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