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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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die beiden Offiziere: »Meine Herren, beim Admiral scheut man sich noch es zu sagen, aber es ist so: Wir befinden uns im Krieg. Am 19. April ist eine Abteilung unserer Truppen, die in Concord, etwa zwanzig Meilen landeinwärts, ein Munitionsdepot radikaler Rebellen zerstören sollte, von mehreren tausend Milizsoldaten angegriffen und während des Rückmarschs so heftig beschossen worden, daß dreiundsiebzig ›Rotröcke‹ getötet und rund zweihundert verletzt wurden. Seitdem ist das Land in offenem Aufruhr und Boston praktisch eine belagerte Stadt. Ich weiß nicht, warum man das nicht Krieg nennt!«
    Die beiden Offiziere standen fassungslos vor ihrem Kapitän.
    »Aber das ist doch Bruderkrieg! Das sind doch auch Untertanen des Königs!« stieß Grant hervor.
    Kapitän Brisbane wurde bewußt, daß sie alle noch standen, und er forderte mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen.
    »Wenn ich es recht verstehe, meine Herren, streitet man sich in den Stäben von General Gage und Admiral Graves noch darüber, ob sich nur eine radikale Minderheit oder gar die Mehrheit der Kolonisten von unserem König losgesagt hat. Tatsache ist, daß ein illegaler Provinzialkongreß von Massachusetts beschlossen hat, eine Armee aufzustellen. Seitdem wird Boston mit Hilfe der Milizen aus den angrenzenden Kolonien belagert.«
    Brisbane erläuterte seine Befehle. Ab sofort seien Kriegswachen einzuteilen. Die Seesoldaten hätten Wachen auf Vor- und Achterdeck zu stellen. Die Geschütze dort seien gegen Enterangriffe mit Traubengeschossen zu laden. An die Seeleute der Wache seien Entermesser und Musketen auszugeben.
    Ein Kommando von dreißig Mann müsse morgen früh zur Noddles Insel übersetzen, um dort Vorräte für die Garnison und eine Kuhherde zu bewachen. Die Verpflegung in der abgeschnittenen Stadt werde langsam knapp. Außerdem müsse nachts einer der Kutter Wache um das Schiff rudern, um Überfälle zu verhindern.
    »Das ist in der Tat Krieg, Sir!« bestätigte Mr. Grant.
    »Sie sagen es, Mr. Grant. Und ich fürchte, dies ist weder ein ehrenvoller noch ein ehrlicher Waffengang«, fügte der Kapitän hinzu.
    Als die Befehle die Mannschaften an ihre Plätze riefen, summte das Schiff wie ein Bienenhaus. Enttäuschung, daß kein Landurlaub gewährt wurde, Aufregung über die kriegerischen Maßnahmen, Gerüchte über bevorstehende Enterangriffe, alles brodelte in der Mannschaft.
    Der Schiffsarzt meldete sich beim Kapitän: »Sir, wir brauchen dringend frisches Gemüse und Obst, sonst müssen wir mit Skorbut rechnen.«
    Brisbane erwiderte, daß er daran schon gedacht habe. Der Kutter, der zur Werft fahre, um einige Spieren und Taue aufzutreiben, bringe auch den Zahlmeister zum Verpflegungsamt. Aber er habe keine sehr großen Hoffnungen. Die Bevölkerung werde von den radikalen Rebellen derart eingeschüchtert, daß sie sich nicht traue, Proviant zu verkaufen. Nicht einmal die Handwerker würden Baracken für die neu eingetroffenen Truppen bauen. Im übrigen grassierten in der Stadt die Pocken.
    »Um Gottes willen, Sir!« entsetzte sich Mr. Lenthall. »Dann dürfen nur Mannschaften an Land, die die Pocken überstanden haben, und wir müssen die übrige Mannschaft impfen. Ich werde das sofort mit dem Hafenarzt besprechen.«
    Der Kapitän war einsichtig, gab aber zu bedenken, daß weder er noch der Zahlmeister die Pocken gehabt hätten. Etwas müsse man auch dem lieben Gott vertrauen.
    »Sicher, sicher! Aber Vorsorgen muß der Mensch«, erklärte Mr. Lenthall sehr bestimmt.
    Als der Kutter am frühen Abend zurückkehrte und auch der Flaggleutnant weitere Befehle brachte, wußte zumindest die Offiziersmesse etwas mehr.
    Es sehe nicht gut aus in der Stadt.
    Die Truppen seien schlecht verpflegt und demoralisiert. Die Bevölkerung sei offen feindselig oder zu eingeschüchtert, um Sympathien zu zeigen. Die Desertionen nähmen zu. Die Aufständischen lockten Unteroffiziere mit fünfzig Pfund, wenn sie überliefen und die Miliz ausbildeten.
    Die Landenge, Boston Neck, die Boston mit dem Festland verbinde, sei befestigt, um die Rebellen draußen und die eigenen Soldaten drinnen zu halten.

    Strategisch sei die Lage hoffnungslos. Die Stadt werde von den umliegenden Höhen auf dem Festland beherrscht, und um die zu besetzen, reichten die knapp sechstausend Soldaten nicht aus. Der Admiral, einundsechzig Jahre alt, sei ein vorsichtiger Zauderer. Mit dem Gouverneur und General Gage vertrüge er sich eher schlecht als recht. Wenn etwas schief gehe,

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