Der Kaefig - Roman
Klang so, als hätte es da ein Massaker gegeben.
Brown überquerte die Straße und eilte weiter die Gasse entlang. Vor ihm rührte sich nichts. Er konnte trotzdem genauso gut weiterlaufen. Nach diesem Häuserblock kam ein offenes Feld. Wenn sie in die Richtung gelaufen und nun auf dem Feld war, könnte man sie leicht entdecken. Vorausgesetzt, sie versteckte sich nicht hinter irgendwelchen Büschen oder so.
Brown ging zügig weiter und blickte in die Dunkelheit der Carports, der Lücken zwischen den Garagen und des Buschwerks entlang der Gartenzäune. Als er sich in der Mitte der Gasse befand, schwang ein Tor auf. Er wirbelte herum.
Eine dunkle staksige Gestalt. Seine Hand zuckte zum Holster und zog die Pistole. Er zielte und spannte mit dem Daumen den Hahn.
»Stehen bleiben, Fräulein!«
»Nenn mich nicht Fräulein, Nigger.«
Eine schwarze Frau. In einem dunklen Nachthemd. Brown steckte die Pistole weg. »Tut mir leid, Ma’am.«
»Kann man hier nicht mal seinen Müll rausbringen, ohne von einem durchgedrehten Bullen überfallen zu werden?«
»Lassen Sie mich das nehmen.« Er nahm ihr die Mülltüte ab.
»Vielen Dank.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Was machen Sie hier mitten in der Nacht, wenn ich fragen darf?«
»Polizeikram.«
»Dass Sie nicht mit Ihrem Hund Gassi gehen, hab ich mir schon gedacht. Obwohl es ein bisschen komisch riecht hier … nach Zwiebeln. Oder nach einem Lebensmittelladen, der mal wieder einen Frühjahrsputz nötig hat.«
Höflich lächelnd warf Brown die Tüte in die Mülltonne und schloss den Deckel. »Ich möchte sie nicht beunruhigen, Ma’am, aber es treibt sich ein Mordverdächtiger in der Gegend herum.«
»Ich bin’s nicht, deshalb schleppe ich meinen hübschen Hintern mal schnell hier weg, vielen Dank auch.« Sie drehte sich um.
Brown sah zu, wie sie durch das Tor ging, und das Gefühl, wieder alleine zu sein, gefiel ihm nicht. Niemand, der ihm den Rücken freihielt. Das war keine angenehme Lage für einen Polizisten.
Er ging weiter die Gasse entlang, als plötzlich etwas Schweres gegen seinen Rücken schlug. Schmerz durchfuhr seinen Kopf.
42
Es würde wieder eine dieser Nächte werden. Die Einsamkeit zehrte an ihr. Sie wurde zu einem Schmerz in ihrem Inneren, den sie nicht länger ertragen konnte. April Vallsarra wälzte sich im Bett herum und verdrehte mit den Händen das Laken.
Ja, es gab Tricks, mit denen sie die schlaflosen Nächte herumbrachte. Aber das waren eben nur Tricks. Sie kam sich dadurch billig vor. Es nagte an ihrem Selbstwertgefühl.
Am Morgen war sie aufgewacht und in die Dusche geeilt, wo sie versucht hatte, das Schamgefühl abzuschrubben.
Aber sie schaffte es nie ganz, diese speziellen Erinnerungen abzuwaschen. Egal, wie lange sie sich einseifte.
Jetzt war es wieder so weit. Die Uhr unten in der Diele schlug die frühen Morgenstunden. April lag hellwach im Bett in dieser trostlosen, einsamen Zeit zwischen spätem Abend und frühem Morgen. Diese scheinbar endlosen Stunden, wenn der Rest der Welt tief schlief und sie, April Vallsarra, wach und voller Sehnsucht war.
Sie sehnte sich nach Gesellschaft. Nach einer freundlichen Stimme. Manchmal umarmte sie ein Kissen und konnte sich einreden, dass es ein Liebhaber war.
Heute Nacht funktionierte es nicht.
Sie rutschte endlos im Bett herum, um eine bequeme Lage zu finden. Ohne Erfolg. Das Bett fühlte sich hart an. Wenn sie es schaffte, länger als ein paar Sekunden still zu liegen, spürte sie die Stille, die auf ihr lastete. Und die Einsamkeit, die das Haus heimsuchte.
Dass sie blind war, hinderte sie nicht daran, nachts im Dunklen durch das Haus zu laufen. Und das tat sie nun. Sie ging in ihrem wallenden Nachthemd von einem Zimmer ins andere. Obwohl sie es nicht sehen konnte, wusste sie, dass die Goldenen Schallplatten und die Platin-Schallplatten in den Rahmen in seinem gemütlichen Zimmer hingen. April hielt es in dem Raum nicht aus. Sie nahm dort einen schwachen Geruch von ihm wahr. Das rief zu viele schmerzhafte Erinnerungen wach.
Sie zog sich in die Küche zurück. Der Raum schien riesig zu sein, ein hallender trostloser Ort.
Wenige Augenblicke später stieg sie die Treppe hinauf. Da sie von Geburt an blind war, bewegte sie sich mit großer Sicherheit, nie verfehlte sie eine Stufe oder stieß gegen das Geländer. Schnell erreichte sie die Dachterrasse.
Die Sterne würden hell über ihr leuchten. Eine Weile stellte sie sich vor, wie Sterne wohl aussahen. Sie hatte nie welche
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