Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
bildete den Deckel. Susan markierte den Gegenstand auf ihrer Liste.
    »Das kommt zu den anderen.« Sie zeigte auf den Platz neben dem mumienförmigen Sarg, wo bereits drei andere Steingefäße standen. Top trug die Kanope durch den Raum. Das Gewicht ließ ihn unbeeindruckt, obwohl
er gebrechlich und alt genug aussah, um der Vater des anderen Arbeiters sein zu können. Als er das Gefäß abstellte, sagte er: »Das war’s dann, Miss. Der ganze Kram ist ausgepackt. Würden Sie hier unterschreiben?«
    Sie kritzelte ihre Initialen auf den Lieferschein. Top riss einen Durchschlag ab und gab ihn ihr.
    »Alles klar«, sagte er.
    Nachdem er und der jüngere Mann gegangen waren, setzte sich Susan auf einen Klappstuhl – das einzige Möbelstück im Raum, das jünger als zweitausend Jahre war und nicht aus der Callahan-Sammlung stammte. Sie lehnte sich zurück, legte den rechten Fuß auf ihr Knie und seufzte vor Vergnügen. Die Schmerzen ließen nach. Als der Fuß sich wieder einigermaßen normal anfühlte, setzte sie ihn ab und legte den anderen hoch. Was für eine Erleichterung!
    »Stör ich dich beim Meditieren?«, fragte eine Stimme.
    »Tag?« Sie blickte sich um und sah Taggart Parker an der Tür stehen. »Was machst …?« Dann fiel es ihr wieder ein. Ihr Auto hatte sie heute Morgen mit einem Platten überrascht. Tag hatte sie zur Arbeit gefahren. »Komm rein«, sagte sie und stand auf.
    Tag hakte ein Ende des Plüschabsperrbands aus und kam durch die Tür.
    Er umarmte sie. Sie küsste ihn. Die Bartstoppeln waren seit heute Morgen schon wieder so lang, dass sie an ihrem Gesicht kratzten, aber es störte sie nicht. Sie drückte sich eng an ihn und strich über den weichen Stoff seiner Cordjacke. Etwas Hartes presste sich gegen ihren Bauch.
    »Trägst du eine Waffe?«, fragte sie und bemühte sich, wie Mae West zu klingen. »Oder freust du dich, mich zu sehen?«

    »Beides«, sagte Tag.
    Sie griff nach unten und strich über den Wallnussholzgriff seines Colt Python. »Das nenn ich eine Kanone, Amigo.«
    »Und ich kann gut damit umgehen.«
    »Angeber.« Sie küsste ihn wieder. »Hey, wir sollten lieber damit aufhören, ehe der Chef reinkommt.« Sie trat einen Schritt zurück, hielt jedoch seine Hand fest. »Wie war dein Tag?«
    »Es geht bergauf.«
    »Bei mir auch.« Sie zeigte durch den Raum. »Sieh mal, was ich heute gemacht habe. Das ist die Callahan-Sammlung. «
    Er ließ den Blick schweifen und schließlich auf dem Sarg ruhen. »Was ist das? Eine Mumie?«
    »Klar.«
    »Kann ich sie mir mal kurz anschauen? Ich habe noch nie eine echte Mumie gesehen.«
    »Bist du sicher, dass du das sehen willst?«
    »Unbedingt.«
    »Sie ist schon eine Weile tot.«
    »Wirklich?«
    »Fast viertausend Jahre.«
    »So lange schon?«
    »Wir wissen noch nicht viel über das Mädel. Nur das, was auf der Liste stand, die Callahan hinterlassen hat. Sie heißt Amara.«
    »Amara? Das ist ein hübscher Name.« Er grinste neckisch.
    »Und sie war die Frau von Pharao Mentuhotep dem Ersten. Er herrschte in Ägypten während der elften Dynastie, ungefähr zweitausend Jahre vor Christus.«

    »Tja, lass mal sehen.«
    »Versprichst du, sie nicht anzufassen?«
    »Vertraust du mir nicht, was fremde Frauen betrifft?«
    »Ganz bestimmt nicht, wenn dir ihre Namen so gut gefallen.«
    »So ist es nun mal … Amara, Amara, Amara. In so einen Namen kann man sich verlieben.«
    »Okay, versprich mir, sie nicht zu berühren. Sie ist äußerst zerbrechlich.«
    »Ich schwör’s.« Er gab Susan einen Klaps auf den Hintern. »Wahrscheinlich wird sich mein Bedürfnis nach Körperkontakt sowieso in Grenzen halten.«
    Zusammen hoben sie den Deckel. Susan hatte die Mumie am Morgen nur kurz gesehen und betrachtete sie nun genauer. Das Haar war ein leuchtend roter Schwall, der einzige Teil der ehemals jungen Frau, der der Zeit widerstanden hatte. Es musste zum Zeitpunkt der Bestattung sorgfältig frisiert worden sein. Diejenigen, die sie ausgewickelt hatten, hatten vermutlich auch die juwelenbesetzten Haarnadeln entfernt. Ihre Augenhöhlen waren leer. Es befanden sich keine wertvollen Steine als Augenimitationen darin, wie es bei den Bestattungsritualen des Altertums üblich war. Keine Zwiebeln, um den Verwesungsgeruch zu überdecken, wie sie bei Ramses dem IV. gefunden worden waren. Auch keine Beutel mit Weihrauch und Myrrhe in den Körperhöhlen. Zweifellos hatten die Grabräuber sie mitgehen lassen. Wertvolle Gewürze blieben wertvolle Gewürze, auch wenn man sie aus einem

Weitere Kostenlose Bücher