Der Kaiser des Abendlandes
letzte sein wird.«
»Das habe ich geahnt, als wir die Treppe zu diesem Zimmer hinaufgestiegen sind.« Sean drehte den leeren Becher zwischen seinen Fingern und blickte ins Grün des Gartens hinaus. »Ich danke dir, mein Freund.«
»Du wirst es leicht haben, mir den Dank zu erstatten«, sagte Suleiman ruhig. »Eines nicht zu fernen Tages.« Wieder wies er auf die Tür zum Schlafraum. »Layla bringt uns bald das Essen. Denke daran, was ich gesagt habe.«
Sean nickte, füllte seinen Becher und ging zum Fenster. Durch das Schnitzwerk, das ihn vor neugierigen Blicken schützte, sah er hinunter in den Garten. Nach einer Weile sah er Layla, die einen Korb und eine große Platte trug, über die ein weißes Tuch gebreitet war. Sein Herz begann schneller zu schlagen.
Bald würde er mit ihr reden und sie in die Arme nehmen. Wahrscheinlich zum letzten Mal.
Einige Tage später trafen sich die sechs Gefährten wieder im Garten von al-Mustansirs Haus. Sie saßen auf runden Schemeln um den kleinen steinernen Tisch. Über ihnen raschelte der warme Mittagswind in den Kronen der Bäume. Das Wasser des Brunnens plätscherte leise.
»Es zählt wohl zu meinen Pflichten, zu einer solchen Stunde eine kleine Rede zu halten«, sagte Henri und legte seine Hände flach auf die Mitte der glänzenden Tischplatte. »Es ist eine Art Weihe, die wir hier vollziehen. Ein Versprechen, das wir uns geben und an das wir uns immer halten werden. Elazar ben Aaron hat darum gebeten, in unseren Kreis aufgenommen zu werden.«
Uthman nickte gewichtig und fügte hinzu: »Wir haben uns beraten. Doch viel brauchte nicht beredet zu werden. Wir sind uns einig.«
Er legte seine breiten, zupackenden Hände über Henris Finger.
»Wir entsprechen gern und mit frohem Herzen der Bitte unseres neuen Freundes«, sagte dieser. »Wir weihen Suleiman, Sean und Elazar zu unseren Nachfolgern. Sie sind noch beneidenswert jung, aber dieser Nachteil, der in gewisser Weise auch ein Vorteil ist, wird mit jedem Tag geringer.« Er lächelte aufmunternd. Ohne zu zögern, streckt Suleiman seine Arme aus und legte seine Hände auf die von Uthman. »Was wir wissen und vermögen, werden wir sie lehren.«
»Ich danke dir, Henri«, sagte Elazar. »Wir drei bedanken uns aus vollem Herzen und werden alles von euch lernen, was ihr uns lehrt.«
Sean nickte Elazar aufmunternd zu. Mit ernstem Gesicht und feuchten Augen ließ Elazar seine Hände auf die der anderen sinken. Joshua folgte mit seinen dünnen Fingern, und zuletzt lagen Seans Hände ruhig auf den Händen der restlichen Gefährten. Dies war ihr Zeichen, das bedeutete, dass nichts sie voneinander trennen konnte.
Ihre Hände lösten sich zögernd. Die Gefährten sahen sich schweigend in die Augen. Die Bedeutung dieses weihevollen Augenblicks war größer, als sie jetzt ermessen konnten. Doch das sollten sie erst später erfahren.
Historische Nachbemerkung:
Die Geheimnisse des Templerordens
Henri de Roslin ist seit der Zerschlagung des Templerordens auf der Flucht, nur wenigen Menschen vertraut er sich an, und so wissen eigentlich auch nur diese, dass er ein ehemaliger Tempelritter ist. Aus den Protokollen des Templerprozesses weiß man, dass auch noch Jahre nach den ersten Festnahmen zahlreiche entkommene Templer trotz Tarnung erkannt und festgenommen wurden. Zehn hochrangige Templer verschwanden allerdings spurlos, darunter auch Gérard de Villiers. In späteren Darstellungen wurden immer wieder Vermutungen darüber aufgestellt, wohin diese Templer verschwanden, welche Schätze sie wohl versteckten und wie sie dafür sorgten, dass der Orden im Geheimen fortbestehen konnte. Doch noch eine Reihe weiterer Geheimnisse soll es um den Templerorden geben, die auf die Zeit seiner Gründung zurückgehen.
Das Geheimnis des Ursprungs
Ziel und Angelpunkt der Kreuzzüge war Jerusalem, die Heilige Stadt. Nach der Eroberung durch die Kreuzfahrer am 15. Juli 1099 entstand hier ein christlicher Staat im Nahen Osten, der zwar nie eine große territoriale Ausdehnung erreichte, aber in den zwei Jahrhunderten seines Bestehens die politischen Geschicke in der Region maßgeblich mitbestimmte. Jerusalem wurde in den ersten Jahrzehnten der christlichen Herrschaft als Hauptstadt des so genannten Königreichs Jerusalem zum Zentrum aller Institutionen.
Auch die ehemals muslimischen Heiligtümer auf dem Tempelberg waren nun in christlicher Hand. Da der Tempelberg bei der Gründung des Templerordens eine zentrale
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