Der Kaiser des Abendlandes
sein Blick suchte Suleiman. »Nicht nur deswegen, weil ich glaube, dass ihr so viel für mich getan habt, ohne mich zu kennen.«
»Dein Glaube ist stark«, sagte Henri ein wenig spöttisch. »Wir haben verschiedene Rollen spielen müssen. Aber dazu hat uns der Vater dieses erstaunlichen jungen Mannes gezwungen.«
»Darf ich darüber mehr erfahren?«, fragte Elazar.
Uthman deutete auf Henri. »Am besten erzählst du unserem Neuen die Geschichte vom Kaiser des Abendlands«, sagte er.
Henri nahm einen tiefen Schluck, nickte und berichtete von Suleimans Steinbotschaften und den Machenschaften seines Vaters, von den kaiserlichen Briefen und Seans und Suleimans beschwerlichen Ritten, vom »Schwert der Armen« und zuletzt von Abu Lahabs gescheiterten Plänen.
Dann richtete er den Blick zum Nachthimmel. Die ersten Sterne begannen zu verblassen. Der Weinkrug war leer, und jeder war zu müde und zu träge, um in der Küche neuen Würzwein zu holen.
»Bald ist die Nacht vorbei«, sagte er. »Wir sind erschöpft und brauchen ein paar Stunden Schlaf. Morgen reden wir weiter. Dann kann sich Elazar vielleicht entscheiden, ob er bei uns bleiben will.«
Elazar zog den Kopf zwischen die Schultern und faltete die Hände, als wolle er wie ein Christ beten.
»Ich habe mich schon halb entschieden«, sagte er leise. »Ich glaube, ich bin an meinem Ziel angelangt.«
»Nun«, murmelte Uthman und stand auf, »mein Ziel ist einfacher zu erreichen. Mein Nachtlager.«
Er nickte den anderen zu. Es wurde fast eine Verbeugung daraus. Dann lief er leichtfüßig die Stufen hinunter und schloss die Tür seines Zimmers leise hinter sich.
Er saß allein auf der Terrasse, einen halb geleerten Krug Wein vor sich. Hinter den Zweigen und Baumkronen zog der Glanz der Morgenröte herauf. Abu Lahab starrte blicklos in die zunehmende Helligkeit und spürte tief in sich die Qualen der Hölle.
Sein Sohn hatte ihn verraten und zu seiner Demütigung beigetragen. Und er hatte verhindert, dass er mit seinem Schwert den falschen Kaiser angriff, was sein sicherer Tod gewesen wäre. Also hatte Suleiman ihm das Leben gerettet.
Es gab keinen Nicolaus, der in einer anderen Stadt Schwerter für ihn verkaufte und seinen Reichtum vermehrte. Und keinen christlichen Kaiser, der ihm, dem klugen Abu Lahab, einen einzigartigen Triumph verschaffte. Was in der Nacht vorgefallen war, durfte er niemandem erzählen, denn die Gassen und Souks von Jerusalem würden vom Gelächter über den törichten Schwertschmied widerhallen.
Tief saß der Stachel der Scham und der Wut. Auch Mariam und ihr Vater hatten ihn betrogen und seine Gutmütigkeit ausgenutzt. Suleiman, der ebenso ein Dickschädel war wie sein Vater, würde eines Tages Mariam zur Frau nehmen und mit ihr muslimisch-christliche Bastarde in die Welt setzen. Allahu akbar! Es gab niemanden, der ihn bedauerte. Die Diener und Sklaven, Nadschib und Abdullah, sie wussten es alle und würden ihn jetzt schon verspotten.
Nein, nicht so, dass er es merkte. Aber untereinander, im Geheimen, hinter seinem Rücken! Alle Anstrengungen, die nächtelangen Überlegungen, die Leere in der Münzentruhe… vergeblich! Alle Träume… zerstoben! Nur die abgrundtiefe Verzweiflung blieb. Abu Lahab entschloss sich, halb betrunken, Abdullah zu der Hütte am Rand der Wüste hinter Jerusalems Hügeln zu schicken und sie für einen Jagdaufenthalt vorbereiten zu lassen. Ein paar Tage Wüsteneinsamkeit. Wie lange hatte er nicht mehr mit seinem Falken gejagt?
Nur Enttäuschung und ein Abgrund von Furcht, verspottet zu werden, blieben ihm.
Und der Hass.
Yusuf, der Bäcker der Fladenbrote und Süßigkeiten, trug ein langes Brett auf der rechten Schulter, auf dem vier Körbe voller heißer, duftender Backwaren aufgereiht waren. Ihr Geruch überlagerte die vielen anderen Gerüche des Basars, als Yusuf durch eine der schmalen Gassen in die Richtung des Ausgangs ging.
»Habt ihr es schon gehört?«, rief ihm jemand hinterher.
Er ging weiter und achtete darauf, dass nichts herunterfiel.
»Was gehört? Von wem? Wer ist gestorben?«, rief ein anderer. Im Basar brodelten die Küchen, und viele Besucher drängten sich in den Gängen zwischen den Marktständen. Yusuf kämpfte sich behutsam voran und erreichte den Rand des überdachten Souks, wo, wie fast jeden Morgen, einige seiner Kunden warteten. Ein störrischer Esel und ein Karren voller Melonen hielten den Bäcker auf.
Er ging zur Seite und hielt seine Körbe fest.
Inmitten der farbigen
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