Der Kalligraph Des Bischofs.
schnell für ihn. Suppo? Wie sollte er
ihn
einordnen, was hatte Otmar mit
ihm
zu schaffen? »Wenn Ihr für Suppo arbeitet, dann arbeitet Ihr für Godeoch.«
»So ist das nicht, jetzt hört doch –«
»Was genau ist Eure Arbeit?«
»Eins nach dem anderen. Suppo hat eigene Interessen hier in Turin.«
»So.«
»Was mich angeht, ich bin Landvogt für Graf Suppos Besitzungen nördlich der Alpen.«
Germunt schluckte.
»Ich weiß, ich hätte vielleicht von Anfang an ehrlich zu Euch sein sollen, aber wißt Ihr, ich wollte eigentlich nicht die
ganze Geschichte mit Adia aufrollen, und trotzdem wollte ich Euch helfen, so gut ich –«
»Was wißt Ihr von Adia?«
»Seid Ihr bereit für einen weiteren Schrecken?«
»Ja.«
»Adia ist meine Schwester.«
Ganz sachte begann Germunts Kopf zu schmerzen, ein leises Pochen hinter den Augen, das versprach, stärker zu werden.
|406| »Ihr zuliebe habe ich Euch damals das Leben gerettet. Aber ich konnte Euch ja nicht ewig beschatten, vor allem, nachdem ich
Euch auch handgreiflich hier in Turin unterstützt habe. Ich habe meinem Herrn Suppo alles berichtet, und er hat auf seine
Weise Nutzen daraus geschlagen.«
»Da bin ich sicher. Springt dabei zufällig ein gewisser Claudius über die Klinge?«
»Nein! Es ist anders, als Ihr denkt. Suppo hat sich zwar von den Franken bestechen lassen, aber das bedeutet noch lange nicht,
daß er sich an die Versprechen hält, die er ihnen gegeben hat. Unterschätzt diesen Mann nicht.«
Das Wergeld, vom Bischof für mich bezahlt, wird nun für sein Verderben genutzt.
Germunt holte tief Luft. Dann griff er Otmars Lederwams und zog ihn mit Gewalt nah an sein Gesicht heran. Er raunte, ausdrucksstärker,
als er hätte schreien können: »Hört mir gut zu. Ich
bitte
Euch« – er sprach es hart wie einen Befehl –, »verlaßt Suppo und folgt Claudius nach.«
»Ich werde mich hüten, mein Amt aufzugeben.« Otmar befreite sich aus Germunts Griff. »Es war nicht einfach für mich, in den
Diensten Suppos zu Ansehen zu gelangen. Er ist unerbittlich wie eine Streckbank und launisch außerdem. Ich habe mir sein Wohlwollen
mühevoll erworben, habe Unfreie auf Rodungsland angesiedelt und so die Einnahmen aus Suppos Ländereien verdreifacht.«
»Ihr versteht nicht. Wenn Adia Eure Schwester ist, dann rettet den Menschen, dessen Tod ihr das Herz brechen würde. Verlaßt
Suppo!«
»Suppo will Claudius nicht vernichten.« Otmar stutzte. »Was meint Ihr damit, Claudius’ Tod würde meiner Schwester das Herz
brechen?«
Es war zwecklos.
So kalt, wie Otmar diese Frage ausspricht, kümmert ihn Adias Herz einen Dreck.
»Ihr kennt die Geschichte nicht?«
»Nein.«
»Aber Ihr reist demnächst wieder nach Norden, oder?«
|407| »Das tue ich.«
»Sollte Claudius diese Tage überleben, dann geht vorher zu ihm. Wenn er möchte, wird er Euch die Geschichte erzählen, und
vielleicht könnt Ihr für ihn einen Brief zu Adia bringen. Ich finde, die beiden sollten sich einige Dinge sagen.«
Otmar fuhr zurück. »Adia liebt … den Bischof? Himmlischer Vater! Wir haben nie viel miteinander zu tun gehabt, und wenn ich
ehrlich bin, immer wenn wir uns begegnen, ist ein Streit unumgänglich. Ich weiß auch nicht, wie sie in dieses Kloster geraten
ist. Aber so etwas!«
»Woher wußtet Ihr damals, daß ich Adias Sohn bin?«
»Nachdem Ihr sie im Kloster besucht hattet, ging ein Botenreiter gen Süden, der mich um Hilfe anflehte. Meine Schwester hat
mich nie um etwas gebeten. Völlig zu Recht, ich hätte es ihr vermutlich auch abgeschlagen. Dies war die erste Bitte an mich,
seit sie auf der Welt ist. Sie wollte, daß ich Euch bei Eurer Reise durch mein Gebiet vor Euren Verfolgern schütze.«
Plötzlich wurde es still. Merkwürdig. Germunt erhob sich auf die Zehenspitzen.
Claudius ist da.
»Wenn das Schaugericht sich seinem Ende zuneigt, Otmar, werde ich schleunigst Turin wieder verlassen. Wie auch immer es ausgeht,
Godeoch wird toben, wenn er mich hier sieht, und ich sollte ihm keine Zeit lassen, die Stadttore zu besetzen. Habt Dank für
alles, was Ihr für mich getan habt. Und wenn Ihr irgend könnt, helft Claudius.«
Sie umarmten sich, klopften einander auf den Rücken, wie um sich Kraft zu geben.
Es ist nicht mehr zu ändern, was er getan hat,
dachte Germunt. Dann drängte er sich nach vorn, um zu sehen. Und um bereit zu sein.
Der Bischof stand allein auf dem Platz, bereits ausgestoßen aus der menschlichen Gemeinschaft. Er hielt
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