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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Sattel bejahend nach vorn.
    »Und Ihr, Claudius, seid der gegen Euch erhobenen Anklagen unschuldig. Ich bitte Euch allerdings, zügelt Euch vor allzu schnellen
     Schlüssen aus Eurem Bibelstudium.« War es ein strenger Blick? Ein spöttischer? Biterolf konnte es nicht sagen. Wie das Wasser
     des Po im Frühjahr anschwoll und mit jedem Tag lauter murmelte, so begannen nun auch die Turiner, sich immer geräuschvoller
     zu rühren.
    »Darf ich?« Biterolf schob den Büttel einfach beiseite, der ihn bis eben noch gehalten hatte und nun reichlich verwirrt dastand.
     Bevor er Claudius, der den blonden Jungen auf den Arm genommen hatte, erreichte, hörte Biterolf den Grafen schreien.
    »Claudius! Wenn Ihr ein Mann seid, dann kommt zu mir!«
    Die Turiner, die sich zum Gehen gewandt hatten, starrten auf den Platz. Ihr Graf hatte das Schwert gezogen und hielt die Arme
     ausgebreitet. »Aber er kommt nicht, der Feigling. Er wird sich in sein Hasenloch verkriechen.«
    Jetzt mach keinen Fehler, Claudius,
dachte Biterolf.
Du hast die Schlacht gewonnen, kehre nicht auf das Feld zurück. Er eilte näher.
»Herr, Ihr habt eine Gelegenheit bekommen, Euer Leben weiterzuführen –«
    Claudius setzte den Jungen vor Biterolf auf den Boden. »Paßt auf Euren neuen Schüler auf.«
    »Herr, wenn Ihr Euch jetzt von Godeoch ködern laßt, dann verliert Ihr, obwohl Ihr schon gewonnen hattet.«
    Der Bischof schob sich an Biterolf vorbei und trat auf den Grafen zu. Godeoch sah ihm erstaunt entgegen.
    »Was wünscht Ihr?« fragte Claudius.
    »Die Sache ist noch nicht ausgestanden, Ketzer.«
    »Wenn Ihr mich hier vor dem Volk töten wollt, dann voran, tut es.«
    »Nein, Ihr sollt Euch verteidigen. Ich werde Euch im gerechten Kampf in die Hölle stoßen.«
    |416| »Warum sollte ich mit Euch fechten? Suppo wird sich um Euch kümmern.«
    Tatsächlich ritt der bleiche Mann heran, immer noch mit jenem Gesichtsausdruck, der ihn als völlig unbeteiligt erscheinen
     ließ. »Schafft ihn in seinen Palast. Er soll noch eine Nacht haben, Gott um Vergebung zu bitten.« Die Bewaffneten, die bis
     eben noch jedem Wink Godeochs gehorcht hatten, traten mit gezogenen Schwertern auf ihn zu.
    »Daß Tyr dreinschlage! Ihr vergeßt, daß unter meinen Vorfahren römische Senatoren waren!«
    Ungerührt betrachtete Suppo, wie die Büttel Godeoch die Klingen an die Kehle setzten und ihm das Schwert abnahmen.
    Als sich Biterolf dem Bischof zuwandte, sah er ein glückliches Gesicht. »Claudius, Ihr habt es geschafft, Euer Widersacher
     ist besiegt.«
    »Das ist es nicht, woran ich denke. Laßt uns zum Hof laufen. Ihr sollt für mich einen Brief an einen alten Freund schreiben,
     der mir in den Rücken gefallen ist. Ich habe mich gerade entschlossen, ihn noch nicht aufzugeben. – Ein langer Brief, Biterolf.
     Wir überschreiben ihn
Apologeticum atque rescriptum Claudii episcopi adversus Theutmirum abbatem.
Theodemir ist ein intelligenter Bursche, er wird verstehen. Vielleicht braucht er nur etwas Zeit.«

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    |417| 29. Kapitel
    Es vergingen einige Wochen. Dann stand ein Mann mit vollem Bart am Sennerhaus. Vor ihm kauerte eine schlanke, hübsche Gestalt
     zwischen Salatköpfen und rupfte Unkraut. Es war unmöglich, daß sie ihn nicht gehört hatte.
    Germunt schluckte, fuhr sich mit der Hand über den Nacken. Er sah Stilla an, wie sie friedlich zwischen den Pflanzen arbeitete,
     als wären es ihre Kinder. Und plötzlich kam es ihm vor, als würde er ihr Gebiet verletzen, wenn er hier eindränge. Sie hatte
     bei den Sennern Ruhe gefunden, ohne ihn, und er war ein Fremder für sie, sonst würde sie ihn begrüßen.
    Er drehte sich um, starrte auf die Klüfte, die Geröllfelder, die sich hoch in den Himmel erhoben und Schatten von der Größe
     mehrerer Getreidefelder aufeinander legten.
Wenn ich ein Vogel wäre, könnte ich einfach hinüberfliegen.
    Mit ruhigen Schritten ging er den Hang hinauf. Im Laufen öffnete er das Lederband um seinen Beutel, zog eine Weinpflanze hervor.
     Er hatte mit bischöflichem Geld einen Weinstock gekauft, dessen verholzter Teil ungefähr fingerdick war, so wie es ihm der
     alte Weinbauer beigebracht hatte. Den Trieb hatte er auf eine Knospe zurückgeschnitten. Nur eine Pflanze. Der Zipfel des Traumes
     vom eigenen Weinberg, den er an diesem Ort nicht wahr werden lassen konnte.
Der Wein wäre hier oben sowieso nicht süß geworden. Ich werde mir eine andere Heimat suchen. Es ist gut.
    Der Wind fuhr ihm wie eine sanfte Hand über die Stirn.

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