Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Tötung.«
Rebus biss die Zähne zusammen, doch dann schaltete Siobhan sich ein: »Sir, Inspektor Rebus hat während der gesamten Ermittlungen Hervorragendes geleistet.«
»Und wie kommt es dann, dass einer unserer besten Beamten jetzt ein Drahtgestell im Gesicht tragen muss? Und wieso liegt ein lang gedienter Labour-Stadtrat jetzt in einem Kühlfach im Leichenschauhaus? Und wie kommt es dann, dass wir noch keinen einzigen Verdächtigen wirklich überführt haben? Und dabei wird es wohl auch bleiben, fürchte ich.«
Carswell wies auf das Tonbandgerät. »Einen besseren Kronzeugen als Ure hätten wir gar nicht finden können.«
»Die Art und Weise, wie Inspektor Rebus die Vernehmung geführt hat, war völlig in Ordnung«, sagte der Farmer leise. Er saß da, als würde er sich am liebsten bis zum Ende aller Tage in die Ecke stellen.
»Ohne Ure können wir die Ermittlungen vergessen«, erklärte Carswell unbeeindruckt und inspizierte Rebus. »Es sei denn, Sie bringen Barry Hutton mit Ihren brachialen Verhörmethoden so weit, dass er reumütig alles gesteht.«
»Keine ganz unrealistische Einschätzung.«
Carswell sah ihn wütend an. Der Farmer fing schon an, sich zu entschuldigen.
»Schauen Sie, Sir«, unterbrach ihn Rebus und fixierte den SPP, »mir ist diese ganze Sache mindestens genauso unangenehm wie allen anderen Beteiligten. Aber schließlich haben wir Archie Ure nicht umgebracht.«
»Und was dann?«
»Vielleicht sein schlechtes Gewissen?«, schlug Siobhan vor.
Carswell sprang auf. »Diese ganzen Ermittlungen waren von Anfang an die reinste Farce.« Er zeigte auf Rebus. »Und dafür tragen Sie die Verantwortung. Und so wahr ich hier stehe: Dafür werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen.« Dann sah er Watson an. »Und was Sie anbelangt, wahrscheinlich hatten Sie sich das Ende Ihrer Laufbahn auch etwas anders vorgestellt.«
»Sicher, Sir. Aber mit Verlaub, Sir…«
Watson war plötzlich wie verwandelt.
»Was?«, fragte Carswell.
»Niemand hat Ihren blauäugigen Knaben gebeten, sich an Hutton dranzuhängen. Niemand hat ihn gebeten, einen Mordverdächtigen zu observieren und sich dabei irgendwo in Leith in eine merkwürdige Wohnanlage locken zu lassen. Diese Entscheidungen hat er ganz allein getroffen, und deshalb sitzt er jetzt mit seinem Drahtgestell zu Hause im Bett.« Der Farmer machte eine kurze Pause. »Ich glaube, Sie verfolgen das Ziel, diese schlichten Tatsachen zu verschleiern. Diese beiden Beamten hier…« Der Farmer sah die beiden an. » Meine beiden Mitarbeiter haben Ihren Protegé außerdem als Spanner enttarnt. Und auch das haben Sie gütig übersehen.«
»Überlegen Sie, was Sie sagen…« Carswell sah Watson wütend an.
»Ich glaube, das da ist jetzt Vergangenheit.« Der Farmer zeigte auf das Tonbandgerät. »Genau wie Sie habe ich mir dieses Tonband angehört, und nach meiner Meinung gibt es an den Vernehmungsmethoden von Inspektor Rebus nicht das Geringste auszusetzen.« Er stand auf und sah Carswell direkt ins Gesicht. »Sie versuchen doch nur, diese Geschichte hochzuspielen. Okay, wenn Sie es unbedingt drauf ankommen lassen wollen – ich bin bereit.« Dann ging er schnurstracks Richtung Tür, dreht sich aber nochmals um. »Was hab ich denn zu verlieren?«
Carswell jagte die drei aus seinem Büro, nur dass sie schon längst draußen waren.
Sie begaben sich nach unten in die Kantine, stocherten in ihrem Essen herum und redeten kaum. Dann sah Rebus den Farmer an.
»Was war das denn?«
Der Hauptkommissar zuckte mit den Achseln und versuchte zu lächeln. Die Anspannung war inzwischen von ihm gewichen; er sah erschöpft aus. »Mir ist halt der Kragen geplatzt – sonst nichts. Seit dreißig Jahren bin ich jetzt bei der Polizei…« Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich habe ich nur die Nase bis obenhin voll von Typen wie diesem Carswell. Dreißig Jahre, und der glaubt, er kann so mit mir umspringen.« Er sah die beiden an und versuchte ein Lächeln.
»Besonders gut fand ich Ihren Schlusssatz«, sagte Rebus. »›Was hab ich denn zu verlieren?‹«
»Hab ich mir schon gedacht«, sagte der Farmer. »Hab ich ja schließlich schon oft genug von Ihnen zu hören bekommen.« Dann ging er an das Büfett und holte noch drei Kaffee, obwohl ihre Tassen noch halb voll waren, aber er brauchte einfach etwas Bewegung. Siobhan lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Und was wird jetzt aus uns?«, fragte sie.
»Ab nach Golgatha«, sagte er, »und zwar ohne Rückfahrschein.«
Ȇbertreiben
Weitere Kostenlose Bücher