Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
sich offenbar wieder andere Räume an. Rebus meinte im Vorbeigehen in einem der Räume einen Generator zu entdecken. Weiter vorne Stimmen und die Lichtkegel von Taschenlampen. Am Ende des Gangs traten sie in einen nur von einer einzelnen Bogenlampe erleuchteten Raum. Das Licht war auf eine lange Wand gerichtet, deren untere Hälfte mit Holz verkleidet war. Das Holz und der Wandputz waren in derselben krankenhaustypischen Cremefarbe gehalten. Da die meisten Bodendielen entfernt waren, musste die kleine Gruppe über die nackten Balken balancieren, die auf dem bloßen Erdreich aufruhten. In dem Raum roch es feucht und muffig. Gilfillan und die Frau, die er Marlene genannt hatte, hockten vor der Wand und untersuchten das hinter der Holzvertäfelung verborgene Gemäuer. Die beiden blickten in zwei halbrunde Nischen in der Wand. Wie kleine Eisenbahntunnels, dachte Rebus. Dann drehte sich Gilfillan um und wirkte zum ersten Mal an diesem Tag hellwach.
»Feuerstellen«, sagte er, »sogar zwei. Hier muss früher mal die Küche gewesen sein.« Er erhob sich und trat ein paar Schritte zurück. »Der Fußboden muss später aufgeschüttet worden sein, deshalb sehen wir nur die obere Hälfte der beiden Kamine.« Er war mit seiner Aufmerksamkeit nur halb bei seinen Zuhörern und starrte wie gebannt auf die Wand. »In einem davon hat dieser James wahrscheinlich damals den Bediensteten…?«
Einer der beiden Kamine war offen, der andere mit ein paar rostigen Metallplatten verschlossen.
»Was für eine außergewöhnliche Entdeckung«, sagte Gilfillan und strahlte seine junge Mitarbeiterin an. Sie grinste zurück. Richtig schön, mal wieder Leute zu sehen, denen ihre Arbeit Spaß machte. Die Vergangenheit ausgraben, Geheimnisse aufdecken…, Rebus musste unwillkürlich denken, dass diese Leute fast wie Detektive arbeiteten.
»Gegen einen hübschen Braten hätte ich auch nichts einzuwenden«, sagte Bobby Hogan, und Ellen Wylie prustete vor Lachen. Gilfillan war jedoch in Gedanken ganz woanders. Er stand vor der abgedichteten Feuerstelle und schob die Fingerspitzen in den Spalt zwischen dem Metall und der Mauer. Die Platte ließ sich leicht entfernen. Marlene half ihm, sie wegzuziehen und vorsichtig auf dem Boden abzustellen.
»Wer die Platten wohl dort angebracht hat?«, sagte Grant Hood.
Hogan berührte die Metallplatte. »Sieht nicht gerade prähistorisch aus, das Ding.« Gilfillan und Marlene entfernten jetzt eine zweite Platte. Alle starrten in den offenen Kamin. Gilfillan leuchtete mit der Taschenlampe hinein, obwohl die Bogenlampe reichlich Licht spendete.
Es gab nicht den geringsten Zweifel: Was sie da vor sich sahen, war eine verschrumpelte Leiche.
2
Siobhan Clarke zupfte am Saum ihres schwarzen Kleides. Zwei Typen, die sich am Rande der Tanzfläche entlangschoben, blieben stehen und glotzten sie an. Sie warf ihnen einen bösen Blick zu, doch die beiden waren schon wieder in ihr Gespräch vertieft und legten die hohlen Hände an den Mund und brüllten sich irgendwas zu. Dann nickten sie, nippten an ihrem Bier, schoben sich weiter und beäugten die anderen Gäste. Clarke sah ihre Begleiterin an, die durch ein Kopfschütteln kundtat, dass sie die Männer nicht kannte. Sie hockten in einer Sitznische, die einen großen Halbkreis bildete. Insgesamt vierzehn Personen hatten sich dort an den Tisch gequetscht. Acht Frauen, sechs Männer. Einige der Männer trugen Anzüge, andere Jeansjacken, allerdings mit weißem oder hellblauem Hemd. »Jeans und Jogginghosen nicht erlaubt« hieß es zwar draußen am Eingang auf einem Schild, doch diese Vorschrift wurde relativ locker gehandhabt. Der Club war völlig überfüllt. Clarke überlegte, was wohl bei einem Brand passieren würde. Sie sah ihre Begleiterin an.
»Ist es hier immer so voll?«
Sandra Carnegie zuckte mit den Achseln. »Scheint so«, schrie sie. Obwohl sie direkt neben Clarke saß, konnte sie sich bei der hämmernden Musik kaum verständlich machen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Clarke, wie man sich nur an einem solchen Ort mit jemandem verabreden konnte. Die Männer an dem Tisch nahmen Augenkontakt mit den Frauen auf und nickten dann Richtung Tanzfläche. Falls die Erwählte einverstanden war, mussten mehr oder weniger alle aufstehen, damit das Paar sich Richtung Tanzfläche in Bewegung setzen konnte. Und wenn sie dann tanzten, versanken beide in ihrer eigenen Welt und sahen den Partner kaum einmal an. Auch wenn ein Fremder an den Tisch trat, verlief das Ritual ganz
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