Die Ehre des Ritters (German Edition)
Prolog
England, 1179
Das höhnische Gelächter hallte in Isabel de Lameres Kopf wider, als sie die riesige, im Freien feiernde Gesellschaft verließ, um dem Ort ihrer Demütigung zu entfliehen. Dabei hatte sie es gar nicht erwarten können, das Sommerfest in Droghallow, der Burg eines Freundes ihres Vaters, zu besuchen. Wochenlang hatte die achtjährige Izzy darauf hingefiebert und sich über die Gelegenheit, ihr schönstes Gewand zu tragen und Freundschaft mit Kindern aus angrenzenden Grafschaften zu schließen, gefreut.
Es wäre auch sicherlich ein schöner Tag geworden, wäre da nicht der grässliche junge Erbe von Droghallow gewesen. Sein Vater hatte ihn zögernd gebeten, sich um Izzy zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie sich gut unterhielt. Stattdessen aber hatte er sie bloßgestellt und sie ob ihrer Unbeholfenheit vor den anderen verspottet. Schon nach kurzer Zeit hatten sich alle Kinder an dem grausamen Spiel beteiligt und zahlreiche Makel an ihr gefunden, über die sie sich lustig machten: ihre pummeligen Beine, ihr unscheinbares Gesicht, die sommersprossigen Wangen und ihr widerspenstiges rotes Haar. Izzy war vor der Gruppe geflohen, bevor Tränen sie in noch größere Verlegenheit bringen konnten.
Nun lief sie keuchend und ziellos den Burghügel in das sich weit erstreckende Tal hinunter und blieb erst stehen, als sie völlig atemlos im hüfthohen Gras vor dem Burggraben stand. Inmitten des kühlen, wehenden Schilfs sank sie auf die Knie, bemüht, die brennenden Schluchzer in ihrer Kehle zu unterdrücken. Sie versuchte an etwas anderes zu denken als an den schmerzenden Knoten, den der Hohn der anderen Kinder in ihrem Herzen hinterlassen hatte.
Auf der Suche nach Ablenkung entdeckte sie mit tränennassen Augen nur wenige Schritte entfernt ein Kissen blühender Wildblumen. Auf der Blüte einer wilden Margerite saß ein Schmetterling, der mit den hübschen gelben Flügeln schlug und Nektar naschte. Vielleicht kann ich ihn einfangen und mit nach Hause nehmen, dachte Izzy, als das hübsche Insekt sich anmutig in die Lüfte erhob und zu einer anderen Blüte flatterte, in deren sonnengelber Mitte es sich niederließ. Vorsichtig schlich sie sich an den Falter heran, aber als hätte er ihr Näherkommen bemerkt, flog der Schmetterling plötzlich in einer Zickzacklinie davon und auf den Waldrand zu.
Es brauchte kein langes Überlegen. Ohne sich auch nur einmal umzublicken oder an ihr Leid zu denken, rannte Izzy ihm nach, allein von dem Gedanken beseelt, ihre Beute zu fangen.
Der Schatten des Waldes kühlte ihre Haut, als sie die dicht von großen Eichen und hoch aufragenden Nadelbäumen umsäumte Waldlichtung betrat. Die hohen Bäume schluckten das helle Nachmittagslicht, und der schwere Geruch nach Moos und feuchter Erde hing in der Luft. Hoch oben in den Baumkronen hörte sie Vögel im Laub rascheln, deren Gezwitscher den Trubel der Feiernden auf dem Burghügel übertönte. Vor Izzys Füßen huschte unbemerkt ein Waldbewohner eilig ins nächstgelegene Gebüsch, um sich vor dem Eindringling in Sicherheit zu bringen.
Es war, als wollte der Schmetterling sie in eine andere Welt entführen. Immer weiter folgte sie dem winzigen Farbklecks, der in der schattigen Düsternis des Waldes vor ihren Augen tanzte, ins Unterholz. Als der Schmetterling sich nach einer Weile auf einer großen orangefarbenen Blume ausruhte, schlich sie sich, vor Eifer an der Unterlippe nagend und ihr Ziel nicht aus den Augen lassend, näher an ihn heran. So nahe kam sie ihm, dass sie den starken Duft der glockenförmigen Blüte wahrnahm. Langsam hob sie die Hände und wollte sie vorsichtig um das trinkende Insekt schließen, voller Vorfreude, die schillernde Schönheit zu umfangen, wenn auch nur einen Augenblick. Doch kurz bevor sie ihn zu fassen bekam, schwirrte der Schmetterling erneut davon.
Nun folgte Izzy ihm noch eifriger auf einem Weg, der sie erst in die eine, dann wieder in die andere Richtung führte, aber gleichwohl immer tiefer in den kühlen, dunklen Wald hinein. Ihre Entschlossenheit machte sie wagemutig und ließ sie die Zweige nicht spüren, die ihre nackten Knöchel zerkratzten, während sie mit gerafften Röcken durch das dichte Dickicht lief. Sie duckte sich unter dürren langen Ästen hindurch, watete durch breite Kissen taunassen Farns und verfolgte ihr Ziel beharrlich, bis sie es schließlich aus den Augen verlor.
Doch es war noch viel schlimmer, wie ihr unvermittelt bewusst wurde. Sie hatte sich völlig
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