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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Prenden. Beide waren darauf ausgelegt, Wochen autonom zu überleben, und behielten ihre Funktion bis zum Ende des Kalten Krieges. Auch hier erwies sich jedoch der Zivilschutz rasch als überfor-dert. Atomsichere Bunker wurden zwar gebaut, so die 1973/74 entstandene «Mehrzweckanlage Kudamm-Karee» im Westberliner Stadtteil Charlottenburg, die für 27 200 Menschen vorgesehen war. Auch Teile des aus den dreißiger und vierziger Jahren stammenden sogenannten Westwalls wurden noch 1979 für den Nuklearkrieg nachgerüstet. Für die gesamte Bevölkerung reichte es indessen auch hier nie. Dies war eines der grundsätzlichen Probleme, an denen sich der Protest entzündete.
Proteste gegen den Kalten Krieg
    Organisierter oder individueller Protest gegen die Mechanismen und absehbaren Folgen des Kalten Krieges entzündete sich in der Regel an Themen, die das Leben des einzelnen unmittelbar berührten oder zu betreffen drohten. Der Regelfall war, daß ein breiteres öffentliches Interesse an umstrittenen Entwicklungen und damit auch der Umfang vieler Protestbewegungen dann erlahmten, wenn Entscheidungen getroffen worden waren und wieder die «Normalität des Kalten Krieges» eintrat. Übrig blieben aktive kleinere Gruppen, engagierte Organisationen oder auch einzelne Idealisten, die gegen den Trend, zum Teil über Jahre, gegen Atombewaffnung, gegen das atomare Wettrüsten, die Teilung der Welt oder die Austragung der militärischen Konflikte des Kalten Krieges in der Dritten Welt demonstrierten. Zum Teil mündeten diese Proteste zeitweilig wieder in Massenbewegungen. So konnte die Ostermarschbewegung seit den fünfziger Jahren in Krisenzeiten immer wieder Zehntausende auf die Straße bringen.
    Das geteilte Deutschland kann auch bei der Entwicklung der Protestbewegungen gegen den Kalten Krieg als exemplarisch gelten. Während in der DDR, wie im gesamten Ostblock, Proteste gegen Aufrüstung, Bündnisse oder Atombewaffnung verboten waren und schon Ansätze massiv unterdrückt wurden, wenn sie nicht politisch gezielt gegen die andere Seite verwertet werden konnten, kam es in Westdeutschland bereits vor 1949 zu Demonstrationen für Frieden und gegen die Fronten des Kalten Krieges. Auch in anderen westlichen Staaten, so etwa in Frankreich und den USA, setzten zu diesem Zeitpunkt Proteste ein. Aufsehenerregend war zum Beispiel die am 15. April 1949 in Paris gestartete Aktion des ehemaligen US-Bomberpiloten Garry Davis, der während des Zweiten Weltkriegs an Luftangriffen auf Bremen und Hamburg selbst beteiligt gewesen war. Davis propagierte die von offizieller Seite damals angesichts der Probleme in der UNO bereits seit Jahren zu den Akten gelegte Idee einer «Weltregierung». Sie sollte nicht nur die atomare Bedrohung, sondern die gesamte Blockkonfrontation überwinden. «Die ganze Menschheit», so hatte der «Weltbürger Nr. Eins», wie er sich selbst nannte, verkündet, «befindet sich heute in einem Zustand legitimer Verteidigung gegenüber den souveränen Staaten, den Theologien und Propagandafeldzügen, die im Grunde genommen nur darauf abzielen, die Wiederkehr eines neuen Krieges zu rechtfertigen. [...] Wir rufen die Massen des Volkes auf, sich aus freien Stücken für den Frieden zu mobilisieren, damit sie morgen nicht durch die Staaten für den Krieg mobilisiert werden können.» 48 Davis hatte bereits im Januar 1949 vor dem UNO-Ge-bäude in Paris kampiert und war schließlich dazu übergegangen, von einem Pariser Cafe aus «Weltbürger-Pässe» auszustellen. Tatsächlich konnte er in Westeuropa und insbesondere in der Bundesrepublik einen aufsehenerregenden Erfolg verbuchen, bevor er absehbarerweise mit den Paßgesetzen der einzelnen Staaten in Konflikt geriet. Unterstützung für ihn kam unter anderem von so bekannten Persönlichkeiten wie dem amerikanischen Geigenvirtuosen Yehudi Menuhin oder dem westdeutschen Schauspieler Victor de Kowa. Anders als der zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls in Paris etablierte, deutlich kommunistisch gesteuerte «Weltfriedenskongreß», zu dem Pablo Picasso die berühmte Friedenstaube und Albert Einstein einen Friedensappell beisteuerten, verweigerte sich Davis konsequent beiden Seiten. Er habe nicht den Westblock verlassen, um sich für den Ostblock auszusprechen, war seine Antwort an den Weltfriedenskongreß, der ihn um Teilnahme gebeten hatte. 49 Fast zehn Jahre danach gab Davis, der Hunderttausende mobilisieren konnte, im April 1958 angesichts der Probleme, die ihm offizielle Stellen

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