Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
Werbung als Spezialist für die Errichtung von «atomschlagresistenten» Häusern (Blastresistent House). Solche Bauten konnten nach Firmenangaben die Druckwelle einer 20-Kilotonnen-Bombe in einem Kilometer Entfernung vom Ground Zero aushalten und durften damit «40 % dichter an einem Einschlag als konventionell gebaute Häuser» stehen, wie es in den Anzeigen hieß. Man habe, so wurde darüber hinaus nicht ohne Stolz vermerkt, dabei aus den Erfahrungen gelernt, die in «Hiroshima und Nagasaki und auf Eniwetok und Yucca Fiats» gewonnen worden seien. 43
    Auch die Sowjetunion verstärkte mit dem Beginn der Ära der Interkontinentalraketen ihre Bemühungen um die Vorbereitung auf das Leben im und nach dem Atomkrieg, wobei erstaunliche Parallelen zum Westen zu beobachten waren. Nachdem bereits 1957 das drei Jahre zuvor erschienene französische Handbuch zum Zivilschutz, Atomique secours, ins Russische übersetzt worden war, wurde 1961 eine eigene sowjetische Zivilverteidigung aus der Taufe gehoben. In einem Krieg, so hatte Chruschtschow in einer 1960 vor dem Obersten Sowjet gehaltenen Rede ausgeführt, werde «es keine Hauptstadt, kein großes Industrie- oder Verwaltungszentrum geben [...], die nicht nur in den ersten Tagen, sondern schon in den ersten Minuten einem Angriff ausgesetzt sein» würden. 44 Aber auch hier war man schnell überfordert. Zwar war es in Moskau ebenfalls möglich, die U-Bahn-Schächte, die bereits in den dreißiger Jahren als Schutzräume angelegt worden waren, weiter auszubauen. Unter dem riesigen Bau der zwischen 1948 und 1952 errichteten Lomonossow-Universität wurden in den sechziger Jahren bis Mitte der siebziger Jahre umfangreiche unterirdische Anlagen fertiggestellt, die nach Schätzungen bis zu 30 000 Menschen Schutz bieten sollten. Sie wurden unter dem Namen der U-Bahnstation Ramenki bekannt. Ob diese unterirdischen Schutzräume indes für die Bevölkerung zugänglich gewesen wären, blieb eher zweifelhaft. Wahrscheinlich sollten auch hier
    wohnliches einrichten im Dauerkonflikt Eine bereits 1955 von der Portland Cement Association veröffentlichte Werbung für ein «explosionsresistentes Haus», ein «Haus für das Atomzeitalter». Es sollte nur 10 Prozent mehr Baukosten verursachen, aber einer Druckwelle einer 20-Kilotonnen-Atombombe standhalten können. Wie aus einer bitterbösen Satire entnommen klingt es heute, daß ein solches Gebäude 40 Prozent näher an einem Atombombentreffer liegen dürfe als ein herkömmliches Heim.

    vor allem die Staats- und Parteigrößen aus Moskau mit ihren Familien Unterkommen. Für die Masse der Einwohner Moskaus und anderer Ballungszentren, für die kein Schutzraum zu Verfügung gestellt werden konnte, gab man in den Vorschriften die Anweisung aus, in geordneten Kolonnen von 500 bis 1000 Personen die Stadt zu verlassen, um außerhalb der Städte Unterstände zu errichten. 45
    Auch für die sowjetische Staats- und Parteiführung waren eigene umfangreiche Schutzbauten angelegt worden. Am bekanntesten ist wohl Stalins 1942, weit südöstlich Moskaus in Kuibyschew (Samara) gebauter Tiefbunker, der sich allerdings für den Atomkrieg und auch für die Ansprüche seiner Nachfolger als nicht ausreichend erwies. Schon Stalin hatte diverse weitere Schutz- und Kommandoanlagen in Moskau anlegen lassen. Sie befanden sich unter anderem unter seiner Datscha im Vorort Kuncevo, die mit einem Autotunnel direkt mit dem Verteidigungsministerium verbunden war. Auf Stalins Auftrag ging auch der Bau der sogenannten Metro 2 zurück, einer für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen U-Bahn, deren erste Linie in den fünfziger und sechziger Jahren gebaut wurde 46 Darin einbezogen wurden schon vorhandene Anlagen, so der Zugang zu den ebenfalls noch von Stalin veranlaßten unterirdischen Kommandozentralen für die Zivilverteidigung und der Schutzraumkomplex Ramenki. Außerhalb Moskaus entstanden zudem eine große Bunkeranlage bei Saratov an der Wolga und eine unter Breschnew begonnene atomsichere Kommandozentrale bei Beloretsk im Ural.
    Zum gleichen Zeitpunkt begannen auch die als besonders gefährdet angesehenen Staaten Mitteleuropas, ihren Zivilschutz auszubauen. 47 Unter anderem mauerten sich in beiden deutschen Staaten die Regierungen in Tiefbunkern ein. 1960 wurde die westdeutsche Regierungsbunkeranlage Marienthal («Rosengarten») begonnen, wenig später auch das ostdeutsche Pendant, die «Hauptführungsstelle der Partei- und Staatsführung» («Objekt 5000») in

Weitere Kostenlose Bücher