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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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wurde uns nie erklärt. Alles was ich damals [...) anhatte, waren Shorts und Tennisschuhe oder so was, und auf dem Kopf ein Matrosenkäppi. [...] Aus der Pilzwolke fiel nebliger Niederschlag auf das Deck, Sand, kleine Metallteilchen und Steine. Wir versuchten, so viel davon abzuwaschen, wie wir konnten. Die Pilzwolke blieb fast zwei Tage in der Luft. [...] Wegen der fürchterlichen Hitze im

    Dekontaminierung in shorts Ohne Schutzkleidung versuchen amerikanische Matrosen den ehemaligen deutschen Kreuzer Prinz Eugen vom nuklearen Fallout zu reinigen. Er war während des Tests Baker in der Operation Crossroads am 25. Juli 1946 im Zielgebiet eingesetzt worden, um die durch eine Atombombe verursachten Schäden bewerten zu können.
    Inneren des Schiffs verbrachten wir so viel Zeit wie möglich an Deck [...]. Zum Abkühlen gingen wir in der Lagune schwimmen.» 32 Ähnliche gezielte Versuche mit Soldaten fanden unter der Bezeichnung Desert Rock zwischen 1951 und 1957 in den Testgebieten in den USA statt und führten zu vergleichbaren Folgeschäden. 33 Als man 1996 in den USA nachrechnete, konnte man ermitteln, daß allein an den bis 1963 erlaubten atmosphärischen Tests rund 210 000 Menschen teilgenommen hatten. 34
    Daß in der Sowjetunion genau die gleiche Einstellung herrschte, war bis zum Ende der UdSSR zwar immer vermutet, aber niemals bewiesen worden. Erst im Zuge der von Gorbatschow verordneten neuen Offenheit publizierte die regierungsamtliche Zeitung Iswest- ija 1989 zum ersten Mal einen Bericht zu einer «Übung unter dem Atompilz», die 35 Jahre zuvor stattgefünden hatte. Im Verlauf dieses Manövers war eine Atombombe «mittlerer» Größe - also etwa einer Stärke von 10 bis 100 Kilotonnen - über einem Truppenübungsplatz in der Nähe der Ortschaft Tozlc im Ural abgeworfen worden. Anschließend hatte eine Division den Befehl erhalten, das Epizentrum - den Ground Zero - zu durchqueren. 35 Über die gesundheitlichen Schäden der weitgehend ungeschützten Rotarmisten wurde auch hier nichts bekannt, sie sind aber in Kenntnis der amerikanischen Berichte unschwer zu vermuten.
    In welcher Weise sich militärisches Personal überhaupt schützen sollte, war seit Beginn des «Atomzeitalters» ein grundsätzliches Problem. Bezeichnenderweise übersetzten die Sowjets ab
    1954 - davor spielte Atomschutz überhaupt keine Rolle - zunächst amerikanische Handbücher. Die wichtigsten Inhalte des allgemein zugänglichen, vier Jahre zuvor erschienenen US-Stan-dardwerks The Effects of Atomic Weapons druckte in diesem Jahr die Zeitschrift Wojennaja Mysl ab. Im selben Jahr wurde auch das 1953 von zwei US-Offizieren veröffentlichte Buch Atomic Weapons in Land Combat ins Russische übersetzt. Noch im gleichen Jahr entstand der erste sowjetische «Lehrstuhl Atom- und chemischer Schutz». Die erste schriftliche Information für Rotarmisten, ein schlichtes Merkblatt mit dem Titel Handbuch [!] unter den Bedingungen des Einsatzes von Atom-, chemischen und bakteriologischen Waffen, wurde erst 1955 verteilt. Angesichts der engen Anlehnung an westliche Vorbilder entsprachen nicht nur die Illustrationen weitgehend denen auf westlicher Seite. Auch in der Verharmlosung waren sich die Militärs in Ost und West in den fünfziger Jahren grundsätzlich einig: «Eine Besonderheit der radioaktiven Stoffe, die sich bei der Atomdetonation bilden, besteht darin, daß ihre Radioaktivität schnell sinkt. Deshalb werden selbst stark aktivierte Geländeabschnitte einige Zeit nach der Detonation wieder ungefährlich», hieß es im sowjetischen Handbuch. Für die dennoch um ihr Wohlbefinden besorgten Rotarmisten hielt es noch einen weiteren Tip bereit: «Moderne Heilmethoden gewährleisten eine Gesundung selbst bei einem schweren Grad der Strahlenkrankheit.» 36
    Die Meinungsforschung machte schon in den fünfziger Jahren
    TITELBLATT DES ERSTEN «MERKBUCHS FÜR SOLDATEN UND MATROSEN» Der Untertitel lautet: «Handlungen unter den Bedingungen des Einsatzes von Atom-, chemischen und bakteriologischen Waffen» (1955).

    in den USA deutlich, daß mit den Informationen, aber auch durch die regelmäßig veranstalteten Übungen für den Atomkrieg - die Eisenhower damals öffentlich tatsächlich als War Games bezeich-nete - die Furcht in der Bevölkerung verstärkt wurde. 37 Die berühmte amerikanische Shelter-Debatte, die nach den Erfolgen der sowjetischen Kern-, aber vor allem der Raketentechnik am Ende der fünfziger Jahre begann und bis weit in die sechziger

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