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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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erreichten die palästinensischen Anschläge dann während der Olympischen Spiele 1972 in München, wo insgesamt elf israelische Sportler ermordet wurden. Hier zeigte sich zum ersten Mal öffentlich auch die internationale Vernetzung des antiwestlichen Terrorismus im Kalten Krieg. Die Palästinensergruppe, die sich «Schwarzer September» nannte, versuchte, auch Mitglieder unterstützender ausländischer Gruppierungen freizupressen. Dazu gehörten in diesem Fall fünf Angehörige der westdeutschen RAF, darunter die Gründungsmitglieder Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Trotz des letztendlich blutig gescheiterten Versuchs konnte die palästinensische Bewegung daraus einen Erfolg ziehen. Man hat es als ein Ergebnis dieses Anschlags verstanden, daß Arafat wenig später die Einladung erhielt, vor der UNO zu sprechen. Ende der siebziger Jahre war es der PLO gelungen, sich in der internationalen Diplomatie zu etablieren. Sie unterhielt als Organisation schließlich sogar mehr diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten als ihr Hauptgegner Israel. Ein eigener palästinensischer Staat blieb dennoch während des Kalten Krieges unerreicht.
    Das Scheitern hinsichtlich des größten politischen Ziels bildete die Grundlage für den Beginn einer umfassenden neuen Phase des palästinensischen Kampfs. Parallel zu einem Ende 1987 beginnenden Aufstand der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland, der sogenannten (Ersten) Intifada, die Tausende Tote kostete, begründete sich der antiisraelische Terrorismus nun zum ersten Mal explizit religiös. Dies war international gesehen nicht neu, hatten doch insbesondere die als Guerillas in Afghanistan kämpfenden und von den USA unterstützten Mudschaheddin ihren Krieg gegen die Sowjets immer als Heiligen Krieg (Dschihad) verstanden. In Palästina rief die 1987 neugegründete «Bewegung des islamischen Widerstands» (HAMÄS) nun ihren Dschihad gegen Israel aus. Auf welcher Seite des Kalten Krieges dieser Islamismus stand, war indes nicht mehr eindeutig zu bestimmen. Beide Supermächte waren am Ende des Kalten Krieges schon längst in das Visier dieses «Heiligen Krieges» geraten.

7. Krieg der Kulturen
Amerikanisierung - Sowjetisierung - Nationalismus
    Mit einem gewissen Automatismus sorgte die beginnende Blockintegration seit Ende der vierziger Jahre auch für die Übernahme von Merkmalen der jeweiligen Führungsmacht. Die Hegemonie der Sowjetunion in Ostmitteleuropa brachte eine tendenzielle «Sowjetisierung» oder «Veröstlichung», ebenso wie die Vormachtstellung der USA in Westeuropa langfristig eine tendenzielle «Amerikanisierung» oder «Verwestlichung» der dortigen Gesellschaften nach sich zog. Amerikanisierung und Sowjetisierung meinten dabei vor allem den Einfluß auf die Gesellschaften und die daraus resultierenden politischen, ökonomischen, soziologischen oder kulturellen Veränderungen. Das Phänomen, das bereits während des Kalten Krieges mit diesen sehr unscharfen Begriffen umschrieben wurde, ließ sich auch außerhalb Europas beobachten. Gerade in den häufig noch in traditionellen Gesellschaftsformen verwurzelten Staaten an den Peripherien des Kalten Krieges, die etwa durch Stationierung von Truppen der einen oder anderen Seite oder durch militärische Konflikte mit der jeweiligen Führungsmacht in Berührung kamen, waren im Zuge der von den Supermächten mitgebrachten «Modernisierung» besonders drastische Veränderungen zu beobachten. Dies läßt sich anschaulich etwa in dem seit 1945 im Norden sowjetisch und im Süden amerikanisch besetzten Korea oder in dem seit 1954 bis
    1975 vergleichbar geteilten Vietnam nachvollziehen. Bleibt man beim Beispiel Ostasien, kann man zu dem Bereich, in dem der amerikanisch-westliche Einfluß besonders stark war, auch Japan, Thailand, Malaysia oder die Philippinen zählen. In den Raum der Sowjetisierung gerieten dort, zumindest zeitweilig, Nordvietnam, China und Kambodscha. Mit der Entwicklung Chinas zu einem eigenständigen Machtfaktor des Kalten Krieges drückte dann auch Peking den abhängigen Staaten seinen politisch-kulturellen Stempel auf. Im Falle des besetzten Tibet ging dies bis zum Versuch, die nationale Identität des Landes zu vernichten. Die Bandbreite bewegte sich zwischen den Polen: freiwillige Übernahme und Zwang, bis hin zum drohenden Verlust der ursprünglichen kulturellen Identität. Grundsätzlich kann man sagen, daß der Druck zur Übernahme der politisch-kulturellen Vorstellungen um so massiver

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