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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Palästinafrage zu zentralen Themen wurden. Radikale Aktivisten, aus denen sich dann unter anderem die RAF rekrutierte, reisten früh nach Palästina und hatten hier geradezu ein Erweckungserlebnis. Michael «Bommi» Baumann, einer der frühen Aktivisten in der linksradikalen Szene Westberlins Ende der sechziger Jahre, vermerkte in seinem 1975 erstmals erschienenen und in der Bundesrepublik zeitweilig verbotenen autobiographischen Bericht Wie alles anfing: «Als die Leute aus Palästina [nach Westberlin] zurückkommen, da entsteht ein Bruch. Die Palästina-Fraktion innerhalb der Gruppe hat denn gesagt, die Geschichte, so wie sie jetzt läuft, hat keinen Sinn. Wir müssen sofort konkret mit dem bewaffneten Kampf anfangen. [...] Vietnam ist nicht mehr der ideologische Überbau, sondern Palästina.» 102
    Palästinensische Kommandos, sogenannte Fedajin (die Opferbereiten), waren schon bald nach den demütigenden Niederlagen der arabischen Staaten 1948/49 mit Unterstützung des ägyptischen Präsidenten Nasser auf israelisches Gebiet vorgestoßen, um Sabotageakte durchzuführen. Ziel war, den neuen Staat zu destabilisieren und auf lange Sicht zu zerstören. Die blutigen Anschläge hatten wiederum heftige Reaktionen der israelischen Seite zur Folge, die sich in ihrer Kompromißlosigkeit kaum unterschieden. Dieser Kreislauf der Gewalt fand nach vielen kleineren Zusammenstößen seinen ersten Höhepunkt während der Suezkrise 1956. In deren Verlauf ergriffen die Israelis die Gelegenheit, die Sinai-Halbinsel zu besetzen, um die Fedajin -Stützpunkte auszuschalten. Andere palästinensische Organisationen formierten sich aufgrund dieser Ausgangssituation relativ spät im Kalten Krieg. Erst 1958 entstand in Kuwait mit der von Jasir Arafat geführten El Fatah eine der bekanntesten palästinensischen Gruppen im Kalten Krieg, die sich zudem ausdrücklich auf den Marxismus-Leninismus berief. Sechs Jahre später wurde auf Anregung Nassers und der Arabischen Liga dann die PLO als die langfristig erfolgreichste Organisation gegründet. Sie war neben der süd-westafrikanischen Befreiungsorganisation SWAPO eine der wenigen Gruppen, die dann auch in die Blockfreienbewegung und
    1974 in die UNO aufgenommen wurde. Von Anfang an als radikale Gruppierung konzipiert und seit ihrer Gründungscharta auf den bewaffneten Kampf gegen Israel eingeschworen, erreichte die PLO unter Arafats Führung sogar den Status einer palästinensischen Exilregierung. Während die sowjetisch-israelischen Beziehungen seit dem Sechstagekrieg 1967 einfroren, wurde die PLO von Moskau offiziell als Sammelbecken «antiimperialistischer Kräfte des Volkes von Palästina» anerkannt. 103 Seit diesem Zeitpunkt traf sich Arafat regelmäßig mit sowjetischen, vor allem aber auch mit ostdeutschen Regierungsvertretern. Es war die DDR, die 1973 die erste offizielle PLO-Vertretung genehmigte, zwei Jahre vor der Eröffnung eines PLO-Büros in Moskau. Die Bedeutung dieser Verbindung in die DDR zeigte sich 1972 nach den blutigen Anschlägen arabischer Terroristen auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München. Die aus der Bundesrepublik ausgewiesenen palästinensischen Studenten konnten in der DDR ihr Studium fortsetzen.
    Nicht die PLO, sondern eine ihrer sechs Einzelgruppen, die von der Fatah abgespaltene «Volksfront zur Befreiung Palästinas» (PFLP), begann ab 1968 als erste mit gezielten internationalen Terroraktionen gegen Israel. Sie waren der Beginn einer neuen Strategie der Freischärler, die bislang nur Einrichtungen auf israelischem Staatsgebiet angegriffen hatten. Nun wurde zum ersten Mal gezielt ein Flugzeug der staatlichen israelischen Luftfahrtgesellschaft El Al auf einer internationalen Route entführt, um Gruppenmitglieder aus der Haft freizupressen. Im Rückblick war dies der Beginn eines «modernen Terrorismus», der seitdem einer Vielzahl von ähnlichen Gruppierungen als Vorbild diente. 104 Diese Anschläge waren nach heutigen Erkenntnissen gleichzeitig der Beginn einer gezielten Unterstützung der PFLP durch das KGB. Wie an die IRA lieferte der sowjetische Geheimdienst 1970 erstmalig Granatwerfer, Handfeuerwaffen und Minen an die PFLP. 105 Es gehört zu den weitgehend unbekannten Zusammenhängen des Kalten Krieges, daß die aus diesem Umfeld stammenden palästinensischen Aktivisten durch das KGB auch zur Liquidierung von Personen eingesetzt wurden, die der Ostblock für «Verräter» hielt.
    Die meiste internationale Aufmerksamkeit

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