Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Ostblockproduktion allein in Nordirland beschlagnahmt wurden. 101
Zur gleichen Zeit baute Moskau die Kontakte zu anderen Organisationen dieser Art aus: unter anderem zu den Roten Brigaden in Italien, zur baskischen ETA, zur PLO und nicht zuletzt zur deutschen RAF und zur Bewegung 2.Juni. Es war kein Zufall, daß Gabriele Kröcher-Tiedemann, die als inhaftierte Terroristin 1975 im Austausch gegen den entführten Berliner CDU-Vorsitzenden Peter
Lorenz freigelassen und in die Volksrepublik Jemen ausgeflogen wurde, ihre Laufbahn als Sympathisantin der Provisorischen IRA in Westdeutschland begonnen hatte. Im Jemen, aber auch im Libanon und in Libyen, wurden beide - Provisorische IRA und Mitglieder der westdeutschen Gruppen - von der PLO ausgebildet. Auch in der Bundesrepublik trat die Provisorische IRA in den folgenden Jahren mit Anschlägen, zum Beispiel gegen die britische Rheinarmee, in Erscheinung. Wie eng die Kontakte zwischen der RAF und der IRA schließlich waren, zeigte sich dann öffentlich am 1. Februar 1985, als ein westdeutsches RAF-Kommando mit dem Namen «Patsy O’Hara» im bayerischen Gauting den Manager des Rüstungskonzerns MTU, Ernst Zimmermann, ermordete. Der IRA-Aktivist O’Hara war 1981 während eines Hungerstreiks in britischer Haft gestorben.
Besonders eindrücklich lassen sich die Mechanismen des Kalten Krieges jedoch am Beispiel der 1964 gegründeten PLO aufzeigen, die im Westen als Terrorgruppe, im Ostblock als Befreiungsorganisation galt. Den politischen Hintergrund ihrer Gründung bildete der Nahostkonflikt als ein Teil des Kalten Krieges, wenngleich er, wie der Konflikt um Nordirland, nicht durch ihn verursacht worden war und daher durch dessen Ende 1991 auch nicht gelöst werden konnte. Die Teilung Palästinas, die den europäischen Juden, welche den Nationalsozialismus überlebt hatten, einen sicheren eigenen Staat verschaffen sollte, hatte von Anfang an neue Ungerechtigkeiten produziert, die den Gegnern Israels kontinuierlich neue Argumente brachten. Die siegreich beendeten Kriege mit den arabischen Nachbarstaaten hatten jedesmal die Grenzen Israels erweitert, allerdings eben auch auf Kosten der Zivilbevölkerung Palästinas. Schon 1948/49 war die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge auf schätzungsweise 750 000 Menschen angewachsen. Im Sechstagekrieg 1967 wurden nochmals rund 250 000 Menschen zur Flucht gezwungen. Die pauperisier-ten und politisch radikalisierten Bewohner der Lager bildeten für die kommenden Jahrzehnte ein unerschöpfliches Rekrutierungsreservoir für arabische Gruppen, die sich der Bekämpfung Israels verschrieben hatten.
Da Israel von Beginn an unter dem Schutz der US-Regierung stand, fielen die Palästinenser im Kalten Krieg mit einer gewissen Zwangsläufigkeit der politischen Zuständigkeit des Ostblocks und der Sowjetunion zu. Obwohl Stalin zwischen 1947 und 1949 mit gewissem Erfolg die zionistische Bewegung umworben hatte, um seinen politischen Einfluß im Nahen Osten zu stärken, verstanden sich die UdSSR und der Ostblock über die gesamte Dauer des Kalten Krieges als Verbündete der arabischen Welt. Dazu gehörten eine deutliche Parteinahme in der Palästina-Frage, aber auch Waffenlieferungen an jene arabischen Staaten, die Israel bekämpften. Wer im geteilten Deutschland Berichte über den Nahostkonflikt einmal im westdeutschen und einmal im ostdeutschen Fernsehen verfolgte, konnte die geteilte Argumentation der Blöcke anschaulich nachvollziehen. Nicht zuletzt zerbrach darunter die israelische KP. Nachdem DDR-Parteichef Walter Ulbricht 1965 während eines Besuchs im blockfreien Ägypten die Wiedergutmachungs Zahlungen der Bundesrepublik an Israel scharf kritisiert hatte, spaltete sich die israelische KP in einen arabischen, das heißt proöstlichen Mehrheitsflügel (RAKAH) und einen jüdisch-nationalen, das heißt prowestlichen Minderheitsflügel (MAKI). Die israelischen Regierungen kämpften seitdem massiv gegen den Beitritt der DDR zu den Vereinten Nationen, während die DDR 1974 nachdrücklich für ein Rederecht der PLO in der UNO votierte. Moskau selbst brach 1967 während des Sechstagekriegs seine Beziehungen zu Tel Aviv ab.
Unter diesen Vorzeichen sammelte sich mit der gleichen Zwangsläufigkeit auch der ansonsten vorhandene antiamerikanische und antiwestliche Protest als propalästinensische Bewegung. Dies zeigte sich insbesondere im linksradikalen Teil der westdeutschen Studentenbewegung, in dem neben Vietnam der Antizionismus und die
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