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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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und finanzielle Mittel bereitstellte, läßt sich selbst an Gruppen zeigen, die lange vor dem Kalten Krieg entstanden waren. Auch die militante «Irisch-Republikanische Armee» (IRA), deren Anfänge noch weit vor dem Ersten Weltkrieg zu suchen sind, und deren erklärtes Ziel in der Befreiung des irischen Nordens von Großbritannien bestand, klinkte sich rasch in seine Fronten ein. 1916/19 als radikalnationalistische und Sozialrevolutionäre Gruppierung gegründet, um einen verdeckten Krieg gegen die Briten weiterzuführen, war sie 1922 für illegal erklärt worden. Bereits in dieser Zwischenkriegszeit, dann vor allem aber auch während des Zweiten Weltkriegs hatte die IRA auf große Verbündete gesetzt. Daraus war eine zeitweilige Zusammenarbeit mit den Deutschen entstanden. Mit den Sowjets dagegen war die Zusammenarbeit lange Zeit nicht gelungen. In den zwanziger Jahren wurden nach Moskau gesandte Botschafter der IRA noch als politische Maulhelden angesehen. Mit dem Beginn des Kalten Krieges war der Kontakt zum Ostblock dann noch einmal gezielt gesucht worden, und diesmal hatte die IRA Erfolg.
    Seit 1962 war die Führung der IRA marxistisch. 95 Auch als sich sieben Jahre später die Organisation in eine «Offizielle» und eine «Provisorische IRA» teilte, bekannten sich beide Teile weiterhin zum Marxismus und darüber hinaus ausdrücklich zum Einsatz von Gewalt. Die «Offizielle IRA» unter Cathal Goulding, Thomas MacGiolla und Roy Johnston - sozusagen der orthodox-marxisti-sche Teil mit einer deutlichen Vorliebe für Stalin - propagierte eine marxistische Republik Irland mit der Hauptstadt Dublin. Sie war es, die nach blutigen Anschlägen 1972 eine, allerdings niemals ganz eingehaltene Waffenruhe erklärte, während die «Provisorische IRA» unter Sean MacStiofäin nun mit einem höheren Grad an Gewaltbereitschaft auf sich aufmerksam machte. Für das Selbstverständnis beider Flügel der IRA im Kalten Krieg ist wahrscheinlich am aussagekräftigsten, daß man sich als eine antikoloniale Befreiungsbewegung verstand. Warum, so lautete eine der zentralen politischen Fragen der IRA, seien Indien und anderen britischen Kolonien die Unabhängigkeit zugestanden worden, nicht aber Nordirland, das weiterhin in einem «Inlandskolonialismus» (Internal Colonialism) an London gefesselt bleibe? 96 Als sich die «Provisorische IRA» 1979 im Organ der linksextremen italienischen «Roten Brigaden», der Contro-Informazione, vorstellte, wurde dieses politische Selbstverständnis ausdrücklich mit antiimperialistisch-antikapitalistischer Rhetorik unterlegt. 97 Offene Sympathien bekundete man bezeichnenderweise auch für die Blockfreienbewegung.
    In die direkte Unterstützung der IRA stieg Moskau Ende der sechziger Jahre ein. Über das KGB, vor allem auch über die britische KP und ihren Generalsekretär Michael O’Riordan wurden die Verbindungen zu beiden IRA-Flügeln aufgenommen, wobei unter anderem Mitarbeiter der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS die Kontakte aufrechterhielten. Die Sowjets ebneten der IRA auch den Weg in die militärische Ausbildung auf Kuba und bei der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. Während die Offizielle IRA vor allem bei herkömmlichen Propagandaaktionen, etwa bei der Finanzierung des «Antiimperialistischen Festivals» 1974 in Dublin und Belfast, durch die Sowjets unterstützt wurde und an sie auch einige Waffen geliefert wurden, floß der Löwenanteil der sowjetischen Zuwendung nun an die Provisorische IRA. 98 Sie wurde zunehmend in den internationalen «Kampf gegen den Imperialismus» eingebunden. Wie man heute weiß, stimmte KGB-Chef Andropow am 21. August 1972 nach heftigem Drängen der irischen KP einem «Plan zur Durchführung der illegalen Übergabe von Waffen an die irischen Freunde» zu. Waffen und Munition, die ausdrücklich nicht aus sowjetischer Produktion stammen durften, wurden damals in einer Verdeckten Operation vor der nordirischen Küste übergeben. 99 Weitere Lieferungen, die schließlich mehrere Tonnen Handfeuerwaffen, Granaten und panzerbrechende Mittel umfaßten, kamen von der tschechischen Firma Omni-pol. 100 Andere Waffenlieferungen leitete der libysche Staatschef Gaddhafi nach Irland weiter. Wieviel Material aus dem Ostblock über verschiedene Zwischenstationen Nordirland erreichte, ist bis heute unbekannt. Nachweisbar ist aber, daß allein in den siebziger Jahren rund eine Million Schuß Munition und etwa 7000 Waffen unterschiedlicher Art aus der

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