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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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größer. Militärisch war aber vor allem der Einsatz nordvietnamesischer Truppen für die kommunistische Machtübernahme der Roten Khmer am 17. April 1975, noch zwei Wochen vor dem Fall von Saigon, bedeutsam. In der vor allem von China politisch, militärisch und wirtschaftlich gestützten Volksrepublik «Demokratisches Kampu-chea» (DK) richteten die Roten Khmer unter Pol Pot bis 1979 dann eines der mörderischsten kommunistischen Regime ein. Die wenigen außenpolitischen Beziehungen des nahezu isolierten Landes bewegten sich in den Grenzen, die der Kalte Krieg und der sowjetisch-chinesische Konflikt geschaffen hatten. Pol Pot hielt
    KAMBODSCHA, DER «NEBENKRIEGSSCHAUPLATZ» DES VIETNAMKRIEGS Die nach dem nordvietnamesischen Sieg 1975 eingerichtete und knapp vier Jahre dauernde Herrschaft des kommunistischen Regimes unter Pol Pot kostete wahrscheinlich einem Fünftel der Kambodschaner das Leben. Die Abbildung zeigt eine der vielen Stupas (hier: Wat Thmei in Siem Riap), wo die auf den Feldern gefundenen Überreste der Opfer der Roten Khmer eine letzte Ruhestätte finden. Die größte Gedenkstätte findet sich auf den berüchtigten «Killing Fields» Choeung Ek bei Phnom Penh.

    sich an Peking, wo er 1977 auch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Hua Kuo-feng zusammentraf, und an dessen engere Verbündete, so etwa den nordkoreanischen Diktator Kim Il-Sung. Mit Moskau und dem Ostblock blieben die Kontakte nicht nur entsprechend schmal, sondern hier verurteilte man sogar früh die Verbrechen der Roten Khmer. Pol Pots radikale Interpretation des Kommunismus - formal angelehnt an Maos ab 1958 verfolgte Politik des «Großen Sprungs», die auch in China bis zu 38 Millionen Menschenleben kostete - forderte unter den knapp elf Millionen Kambodschanern mindestens 1700 000, möglicherweise aber bis zu drei Millionen Tote. 13 Dabei wirkte nicht zuletzt das radikale Freund-Feind-Schema der Roten Khmer, dem zunächst die gebildete Mittelschicht Französisch-Indochinas zum Opfer fiel, dann auch tatsächliche und angebliche Gegner aus den eigenen Reihen. Über fast vier Jahre wurden, nach Sektoren geordnet, alle «Feinde» und «Verräter» nach und nach liquidiert, unter anderem auch die Khmer-Viet-Minh aus der Anfangszeit der kambodschanischen KP, die Pol Pot schließlich auch als Spione ansah. Zu den weit über das Ende des Kalten Krieges hinausreichenden Folgen des wohl radikalsten Freund-Feind-Schemas im Kalten Krieg gehörte auch die großflächige Verminung des Landes, insbesondere an den Grenzen zum nach Westen orientierten Thailand. Nach dem Einmarsch der Vietnamesen am 25. Dezember 1978, die sich aufgrund kontinuierlicher blutiger Scharmützel mit den Roten Khmer an ihrer Westgrenze provoziert fühlten, und der 1979 folgenden Einsetzung eines Regimes unter Pol Pots ehemaligem Mitstreiter, des zuvor nach Hanoi geflohenen Heng Samrin, zogen sich die auf 30 000 Personen geschätzten Reste der Anhängerschaft Pol Pots zunächst in die Wälder zurück. 14 Sie konnten dort mit Unterstützung Chinas noch bis über das Ende des Kalten Krieges hinaus ausharren und sogar Teile des Landes kontrollieren. Mit dem Tod des «Bruders Nr. 1», Pol Pot, in einem Gefangenenlager 1998 zerfiel dann auch die Organisation der Roten Khmer. Übrig blieb jene seltsame Mischung von Vergessen, Verdrängen und Neuanfang, die man aus anderen postdilctatori-schen Staaten kannte. Pol Pot selbst argumentierte in einer für den Kalten Krieg typischen Weise: Sein Gewissen sei rein, hatte er kurz vor seinem Tod einem westlichen Journalisten gegenüber betont. Alles, was getan wurde, sei zum Wohle des Landes geschehen. Ohne den Kampf der Roten Khmer gegen die inneren und äußeren Feinde wäre Kambodscha schon lange untergegangen. 15
    Es waren die Machtverhältnisse und die Mechanismen des Kalten Krieges gewesen, die Pol Pot ermöglicht hatten. Sie waren es auch, die zu seinem Sturz beitrugen und die nach seiner Vertreibung die Geschichte Kambodschas zunächst weiter beeinflußten. Bereits nach dem Abzug der Amerikaner und bei der Wiedervereinigung Vietnams 1975 hatte China die Führung in Saigon mehrfach vor hegemonialen Ambitionen in Südostasien gewarnt. In den Jahren danach kam es auch hier zu ständigen militärischen Plänkeleien an der gemeinsamen Grenze. Vor dem Hintergrund des sowjetisch-chinesischen Gegensatzes war es absehbar, daß Peking die Strafaktion des von der UdSSR gestützten Vietnam gegen die von ihm geförderten Roten Khmer nicht

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