Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
personenbezogenen Votum lag bereits ein wichtiger Teil des Sprengstoffs, der dann ab 1960 zum chinesisch-sowjetischen Bruch führte. Mit Stalins Tod und der von Chruschtschow begonnenen Entstalinisie-rung, die auch das von Mao abgelehnte Angebot einer «Friedlichen Koexistenz» mit dem Kapitalismus enthielt, war das Verhältnis dann wirklich schwierig geworden. Dabei glaubte man in Peking auch zu registrieren, daß die neue Führung in Moskau China wie einen Kolonialstaat zu behandeln gedachte. Zwar war im Juni 1955 der den Russen von den Amerikanern in der Konferenz von Jalta zugesagte Flottenstützpunkt Port Arthur (Dalian) an die Chinesen zurückgegeben worden. Wenig später hatte Moskau aber wie selbstverständlich wiederum U-Boot-Stützpunkte und Landerechte auf chinesischem Territorium eingefordert. Man konnte dies alles zwar erfolgreich abwehren, aber vor dem Hintergrund der chinesischen Erfahrungen mit dem zaristischen Rußland wuchs Maos Mißtrauen stetig. Chruschtschow wiederum registrierte zum gleichen Zeitpunkt zunehmend verstimmt, daß die Chinesen sich von dem zunächst noch kanonisch übernommenen Sowjetmodell zunehmend distanzierten. So war in den Jahren 1954 bis 1956 zwar die am sowjetischen Modell orientierte Kollektivierung in China nicht nur gegen den Widerstand der Bauern, sondern auch gegen innerparteiliche Opposition durchgesetzt worden und hatte auch Steigerungsraten von bis zu 18 Prozent in der Industrie und 4,5 Prozent in der Landwirtschaft gebracht. 19 Gemessen an den chinesischen Erwartungen waren diese Erfolge jedoch enttäuschend. Im April 1956 distanzierte sich Mao in seiner Rede über die «Zehn großen Beziehungen» dann zum ersten Mal offen vom sowjetischen Weg. Sein von ihm 1958 gegen die innerparteiliche Opposition der «Leninisten» um Deng Xiao-ping durchgesetztes Konzept der «Drei Roten Banner», das auch als «Großer Sprung nach vorn» und «Kriegskommunismus» bekannt wurde, war dann die deutlichste Abkehr vom sowjetischen Vorbild.
Die Sanktionen Moskaus gegenüber dem chinesischen Sonderweg, der in der UdSSR fatal an den «Verrat» Jugoslawiens zehn Jahre zuvor erinnerte, erfolgten stufenweise. 20 Zunächst wurde im Juni 1959 die zwei Jahre zuvor noch zugesagte Hilfe zur Entwicklung einer chinesischen Atombombe gestrichen. Zwei Monate später brüskierte Moskau die Chinesen mit einer «unsolidarischen» Haltung im Streit zwischen China und Indien um Tibet. Dort hatten im März 1959 heftige Kämpfe gegen die Besatzer begonnen, die von Peking brutal niedergeschlagen wurden und eine Flüchtlingswelle ins Nachbarland auslösten. Da an der indischen Grenze zu Nepal, an der sogenannten MacMahon-Linie, aber auch in der Kaschmir-Region Ladakh ohnehin seit Jahrzehnten Grenzstreitigkeiten bestanden, die mit Pekings Invasion in Tibet noch brisanter geworden waren, reagierte die indische Regierung nun aufgrund der massiven chinesischen Truppenpräsenz hektisch und antwortete ihrerseits mit dem Einsatz der Armee. Anders als Mao gehofft hatte, hielt sich Chruschtschow in diesem Streit aber demonstrativ zurück, was wiederum in Peking als Verrat an einem sozialistischen Bruderland interpretiert wurde. Zum entscheidenden Druckmittel, um China wieder auf den sowjetischen Weg zu bringen, entschloß sich der sowjetische Parteichef dann im Sommer 1960, nachdem China unverhohlen den «Revisionismus» in Moskau kritisiert hatte. Nahezu schlagartig wurden sämtliche sowjetische Experten aus China abgezogen. Die im November 1960 einberufene Konferenz der kommunistischen Parteien in Moskau verstärkte das Zerwürfnis nur noch weiter, bis es 1969 in militärischen Zusammenstößen gipfelte.
Dieser Weg der sino-sowjetischen Konfrontation, der aus dem Rückblick wie vorgezeichnet und geradezu alternativlos erscheint, war jedoch gerade auch auf chinesischer Seite nicht unumstritten. Maos radikales Kollektivierungskonzept hatte aufgrund der riesigen Versorgungsprobleme teilweise heftige Gegenwehr in China ausgelöst und ihn im April 1959 sogar gezwungen, als Staatspräsident zurückzutreten. Von Nahrungsmitteleinfuhren, gerade auch aus der Sowjetunion, wollte Mao aber nichts wissen. Aus propagandistischen Gründen exportierte China statt dessen selbst Getreide unter anderem nach Nordkorea und nach Albanien. Beide Länder blieben auch später Pekings engste Verbündete. Die Kritik veran-laßte Mao darüber hinaus zu einer weiteren Forcierung. Ab Mitte der sechziger Jahre startete er mit der «Großen
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