Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Afrikas. Der Vielvölkerstaat Kongo, den viele für den Schlüssel zur politischen Beherrschung Zentralafrikas hielten, war 1960 wie andere Kolonien völlig unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassen worden. Die Folge war ein fünfjähriger Bürgerkrieg, in dem nicht nur die verschiedenen Stämme gegeneinander kämpften, sondern indirekt unter anderem auch die Sowjetunion und die USA. Auch die UNO war involviert, stand aber weitgehend hilflos zwischen den Fronten. Für den Westen wie für Moskau erschien die Gefahr der jeweils gegnerischen Machtübernahme im Kongo als so gravierend, daß keiner dem anderen das Gebiet kampflos überlassen wollte. Die Probleme begannen, als aus den ersten Wahlen im Mai 1960 die Kongolesische Nationalbewegung (MNC) unter Patrice Lumumba als Sieger hervorging, diese aber keine parlamentarische Mehrheit bilden konnte. Lumumba wurde zwar zum ersten Regierungschef gewählt, die MNC allerdings gespalten. Staatspräsident wurde Joseph Kasavubu, der der föderalistischen Assoziation des Bankongo (ABAKO) angehörte. Diese ohnehin problematische Konstellation verschärfte sich durch den Konflikt mit verschiedenen anderen Gruppen, die zum Teil von der ehemaligen Kolonialmacht Belgien unterstützt wurden. Der wichtigste Gegner Lumumbas und Kasavubus blieb Mo'ise Tschombe von der Confederation des Assofiations du Katanga (CONA-KAT), der im Juli 1960 mit Unterstützung der Belgier die rohstoffreiche Provinz Katanga für unabhängig erklärte.
Die weitere Geschichte des Kongo war der Stoff, aus dem Hollywood-Thriller zur Geschichte des Kalten Krieges gemacht werden und ein weiteres Paradebeispiel für die Totalität des globalen Konflikts. Die US-Regierung interpretierte Lumumbas Regierung als prosowjetisch, zumal die UdSSR tatsächlich Flugzeuge und Kraftfahrzeuge lieferte und auch tschechische Berater im Land waren. Von der CIA wurde daraufhin Gift geliefert, um Lumumba zu beseitigen. Gleichzeitig fühlte sich Staatspräsident Kasavubu offenbar durch die amerikanischen Sondierungen dazu ermutigt, seinerseits einzugreifen, und setzte am 5. September eigenmächtig den Konkurrenten Lumumba ab. Er konnte dabei allerdings auf die Unterstützung der rund 10 000 UN-Soldaten im Land zählen. Neun Tage später mischte sich zusätzlich die kongolesische Armee ein: Ihr damals 29jähriger, ebenfalls prowestlicher Stabschef Mo-butu Sese-Seko erklärte seinerseits die Machtübernahme. Zusammen mit dem prowestlichen Mo'ise Tschombe in der Provinz Katanga hatte der Kongo im Januar 1961, als in den USA die Regierung Kennedy antrat, vier Regierungen, die sich gegenseitig bekämpften. Kurz vor dem Amtswechsel in Washington wurde Lumumba, wahrscheinlich mit Duldung der CIA, durch Tschombe-Anhänger und/oder belgische Söldner ermordet. 24
Die Kongo-Affäre wuchs sich nun binnen weniger Monate zu einer der gravierendsten Krisen des Kalten Krieges aus, die weit über die Amtszeit Kennedys, aber auch Chruschtschows hinauswirkte. Der Kampf wurde nicht zuletzt vor den Vereinten Nationen ausgefochten. Dort bezichtigte Moskau die USA, sie würden aktiven Umsturz betreiben. Washington konterte mit dem Vorwurf, die UdSSR fördere wissentlich das Chaos, um dann die Macht zu übernehmen. UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld wurde zudem von den USA beschuldigt, er hintertreibe durch den Einsatz der UN-Verbände die Einrichtung einer prowestlichen Regierung. Zusätzlich reisten diverse Unterstützer der einen oder anderen Seite in den Kongo ein, um sich an den Kämpfen zu beteiligen. Dazu gehörten prowestliche Söldner ebenso wie diverse Reisende in Sachen Revolution. Auch der kubanische Revolutionsführer Che Guevara hielt sich 1965 einige Zeit dort auf. Guevara vermerkte später in seinen in Tansania niedergeschriebenen Episoden aus dem Revolutionskrieg, der Versuch, im Kongo eine sozialistische Revolution zum Sieg zu führen, sei von Beginn an hoffnungslos gewesen, weil es dort einfach keine überzeugten Revolutionäre gegeben habe. «Der kongolesische Revolutionssoldat ist der jämmerlichste Kämpfertyp, den ich bisher kennengelernt habe», lautete damals sein deprimiertes Fazit. 25 Tatsächlich konnten sich
1965 die vom Westen unterstützten Gruppen durchsetzen. Mobu-tu siegte schließlich auch gegen Tschombe und seine weiße Söldnerarmee und richtete eine prowestliche antikommunistische Diktatur unter dem Namen Demokratische Republik Kongo (seit 27.10.1971: Republik Zaire) ein. Sie hatte bis über das Ende des
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