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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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amerikanisch-chinesische Annäherung die Sowjetunion niemals ganz verschrecken und möglicherweise zu Kurzschlußaktionen animieren. «Weltpolitik im Dreieck», die Aufnahme trilateraler Beziehungen (die sogenannten Linkages), wie sie US-Außenminister Kissinger verfolgte, hieß in der amerikanischen Definition zwar weiterhin, gegenüber der anderen Seite im Kalten Krieg zu punkten, aber gleichzeitig die Situation nicht eskalieren zu lassen. 22 Insofern war mit der Kontaktaufnahme zu Peking gleichzeitig die Bemühung Washingtons verbunden gewesen, die Beziehungen zur Sowjetunion zu pflegen. Dazu gehörten weitere Abrüstungsgespräche, eine Grundsatzerklärung zu den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen und im Oktober 1972 ein Handelsvertrag, der dem Bedürfnis der UdSSR nach bestimmten westlichen Gütern nachkam. Bei einem persönlichen Treffen Breschnews mit Nixon 1973 konnte zudem ein Abkommen über die Verhinderung eines Atomkriegs unterzeichnet werden, das die Aufnahme sofortiger Konsultationen im Falle eines Konflikts zwischen den Supermächten vereinbarte. Auch in diesem Fall blieb die Annäherung zwischen den USA und der UdSSR jedoch nur partiell und auf den atomaren Konflikt bezogen. In den konventionell geführten Stellvertreterkriegen in der Dritten Welt standen sich die Supermächte zum gleichen Zeitpunkt weiterhin in Afrika, dann aber auch in Süd- und Mittelamerika militärisch gegenüber.
Stellvertreterkriege: Afrika, Süd- und Mittelamerika
    Stellvertreterkonflikte waren während des Kalten Krieges jene Auseinandersetzungen, bei denen über die lokal-regionalen Motive hinaus die Großmächte oder Bündnissysteme durch direkte oder indirekte Unterstützung involviert waren, ohne selbst offen militärisch aktiv zu werden. Der mit offiziellen US-Truppen in Vietnam ab 1964/65 geführte Krieg gehört daher im strengen Sinn nicht zu den Stellvertreterkonflikten. Ein klassischer Stellvertreterkrieg war hingegen der Konflikt in Angola, wo beide Supermächte seit den sechziger Jahren bis zum Ende des Kalten Krieges mit erheblichem finanziellen Engagement beteiligt waren, ohne jedoch mit eigenen Truppen einzugreifen. Ausländische Einheiten kamen bezeichnenderweise aus Kuba, das offiziell als blockfrei galt.
    Tatsächlich war Afrika im Kalten Krieg die Region mit der höchsten Rate an Stellvertreterkonflikten. Von den etwa 170 «kleinen Kriegen» im globalen Kalten Krieg zählte man zwischen 1947 und
    1991 allein 47 auf dem «Schwarzen Kontinent». 23 In ihnen verloren etwa sechs Millionen Menschen ihr Leben. Geht man davon aus, daß weltweit im Kalten Krieg rund 22 Millionen Menschen in kriegerischen Konflikten getötet wurden, war ungefähr jedes vierte Opfer ein Afrikaner. Die Mehrzahl der in Afrika geführten militärischen Auseinandersetzungen fand in der ersten Hälfte des Kalten Krieges statt und gehörte zumindest auf den ersten Blick in die Kategorie jener Konflikte, die im Rahmen des Dekolonisierungsprozesses geführt wurden. Bei näherem Hinsehen jedoch waren aber auch sie in der Regel auf unterschiedliche Art mit dem globalen Konflikt verbunden. Die Situation auf dem «Schwarzen Kontinent» ist daher ebenfalls ein hervorragender Beleg für die Ganz-heitlichkeit des Kalten Krieges.
    Das Engagement der Interessengruppen des Kalten Krieges fand auch in Afrika dort statt, wo es sich aus wirtschaftlichen, militärisch-strategischen, politischen oder sonstigen Gründen lohnte. Insofern war es niemals überraschend, daß man differenziert vorging. Einige lokal-regionale Konflikte wurden daher von den Großmächten gar nicht oder nur wenig beachtet, selbst wenn sie die Fronten des Kalten Krieges deutlich widerspiegelten. Andere
    Auseinandersetzungen, die ebenso aus ethnischen, vor allem aus Stammeskonflikten hervorgegangen waren, rückten dagegen in den Mittelpunkt. Ein klassisches Beispiel dafür ist der extrem langlebige sogenannte Ogaden-Konflikt zwischen Äthiopien und Somalia, der allein durch die strategischen Interessen der Supermächte am Horn von Afrika am Leben gehalten wurde und sang-und klanglos wieder auf das Niveau von Stammeskonflikten zurückfiel, als der Kalte Krieg zu Ende war.
    In welcher Weise die Situation eskalieren konnte, wenn Block-und Rohstoffinteressen stärker im Spiel waren, läßt sich besonders eindringlich am Beispiel der bis 1960 belgischen Kolonie Kongo und der bis 1974 portugiesischen Kolonie Angola zeigen. Beide gehörten zu den an Bodenschätzen reichsten Ländern

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