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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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für Jahr in das Land pumpte - umgerechnet etwa sechs Milliarden US-Dollar jährlich -, blieben die Fortschritte aus. Zwei Drittel der regulären afghanischen Armee liefen zu den Mudschaheddin über. Die Rote Armee selbst büßte allein durch die Lieferung der Stinger-Raketen schließlich sogar die absolute Luftüberlegenheit ein. Gleichzeitig rieben sich ihre eigentlich technisch überlegenen Bodentruppen im Partisanenkrieg auf. Dies erinnerte tatsächlich fatal an die amerikanische Erfahrung in Vietnam. Auch die von den Afghanen mehrheitlich als Kollaborationsregierung angesehene Staatsführung in Kabul, die seit 1986/87 unter der Führung Mohammed Nadschibullahs stand, sah sich zunehmend isoliert. Ende 1987 teilte die Moskauer Führung unter ihrem neuen Generalsekretär Michail Gorbatschow der afghanischen Regierung mit, daß sie ihre Truppen innerhalb der nächsten zwei Jahre abziehen werde. Wenig später wurde diese Entscheidung am 8. Februar 1988 auch öffentlich bekanntgegeben. Die Frustration in Moskau ließ sich nicht zuletzt daran ablesen, daß man schließlich sogar auf eine zunächst zentrale Bedingung für den Truppenrückzug verzichtete: den Erhalt der Regierung Nadschibullah. Unter UN-Vermitt-lung wurde am 14. April 1988 der Vertrag gefertigt, der den sowjetischen Abzug aus Afghanistan offiziell besiegelte und in der Sowjetunion ein tiefes Trauma hinterließ, das weit über das Ende des Kalten Krieges wirkte.
    Mit dem Ende der sowjetischen Besetzung im Februar 1989 endete auch die US-Waffenunterstützung nahezu schlagartig. Die langfristigen Folgen zeigten sich erst allmählich und mündeten vor allem in eine Stärkung islamischer Staaten. In Afghanistan waren sich die etwa dreißig unterschiedlichen Mudschaheddin-Gruppen , die 1989 so etwas wie eine Gegenregierung zum Na-dschibullah-Regime in Kabul bildeten, keineswegs in der Frage einig gewesen, wie denn ein zukünftiger Staat aussehen solle. 13 Für einen islamischen Einheitsstaat hatte die von den USA unterstützte radikale Hisb-i Islämi (Partei des Islam) unter dem ehemaligen Kommunisten Gulbuddin Helcmatyar votiert, der dann 1993 tatsächlich zum Premierminister ernannt wurde. In die gleiche Richtung zielten konkurrierende Gruppen wie die Dschamiyat-i islämi (Islamische Gemeinschaft) unter der Führung des Tadschiken
    Ahmed Schah Massud und nicht zuletzt die ebenso radikale, aber von Saudi-Arabien unterstützte Gruppe Iittihäd-i isläml (Islamische Einheit) unter Abdul Rasul Sayyaf. Eine weitere radikal-fundamen-talistische Gruppe, die Hisb-i wahdat (Partei der Einheit) wurde vom Iran finanziert. Auf die Wiederherstellung der afghanischen Monarchie zielten zwei andere Fraktionen, die schiitische Bewegung für die islamische Revolution (Harakat-i inqeläb-i islämt) unter Assef Mohseini und eine als gemäßigt geltende Nationale Befreiungsfront unter Sibghatullah Mudschaddedi. Da sie untereinander völlig zerstritten waren, wurde unter UN-Aufsicht zunächst eine Übergangsregierung unter Mudschaddedi installiert, die allerdings bereits 1992 brach, was das Land endgültig in einen Bürgerkrieg der verschiedenen Fraktionen stürzte. Am Ende stand 1997 ein radikalislamischer «Gottesstaat» Afghanistan unter Kontrolle der sogenannten Taliban, der sich nicht nur sowohl westlicher als auch russischer Kontakte entzog, sondern islamische Extremisten weltweit unterstützte. 14 Erst Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges wurde so erkennbar, daß die westliche Unterstützung von Islamisten als Waffe gegen den Kommunismus sich gravierend zum Nachteil der USA auswirkte. Öffentlich am deutlichsten zeigte sich dies am 11. September 2001, als Islamisten zwei Passagierflugzeuge in das World Trade Center in New York stürzen ließen.
    Auch für die umliegenden Staaten zeitigten der Zusammenbruch der sowjetischen Herrschaft in Afghanistan und das Ende der amerikanischen Unterstützung für die Mudschaheddin gravierende Folgen. Zum einen nahm in den mehrheitlich islamischen südlichen Republiken der Sowjetunion und später der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten der Einfluß radikaler Islamisten deutlich zu. Schon vor dem Ende der UdSSR proklamierte die vorwiegend von islamischen Aserbaidschanern (Schiiten) bewohnte autonome Republik Nachitschewan 1990 ihren Austritt aus dem Sowjetstaat. In Aserbaidschan zerstörten islamische Nationalisten im selben Jahr den Grenzzaun zum Nachbarn Iran, um den Willen zur Wiedervereinigung mit den schiitischen Provinzen Ost- und

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