Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
erweisen könne. 7
Ursprünglich war die seit einem Staatstreich 1978 amtierende kommunistische Regierung in Afghanistan unter Präsident Mohammed Taraki und Premier Hafizullah Amin, die auch die seit
1973 verfolgte Blockfreiheit beendet hatte, in Moskau als Sicherheitsgewinn im Kalten Krieg betrachtet worden. Die sofort begonnene Sowjetisierung des noch traditionell nach Stämmen gegliederten Landes war jedoch auf umfassenden Widerstand vor allem der islamischen Geistlichen und der Stammesoberhäupter gestoßen. Kontinuierlich wuchs vor allem mit der Bodenreform die Front der konservativ-islamischen Kräfte. Die afghanischen Stämme stellten dann auch die etwa dreißig islamistischen Guerillagruppen, die sogenannten Mudschaheddin, die sich langfristig als die größte Herausforderung für die sowjetische Besatzung herausstellten. Zu den Konflikten mit den Islamisten gesellten sich Rivalitäten innerhalb der afghanischen Regierung. Taraki fiel am 8. Oktober 1979 seinem Gegenspieler Amin zum Opfer, der wiederum am 27. Dezember beim Einmarsch der Sowjets durch ein KGB-Kom-mando liquidiert wurde. Amin war zuvor, insbesondere vom sowjetischen Geheimdienstchef Andropow, verdächtigt worden, das Land gegenüber den Amerikanern zu öffnen. Mit Staunen lasen die Sowjetbürger dann auch am 3. Januar 1980 in der Prawda, daß der noch vor kurzem als aufrichtiger Freund der Sowjetunion gefeierte afghanische Staatschef nun ein «blutrünstiger Agent des US-Impe-rialismus» sein sollte. 8 Zuvor hatte Amin - zuletzt am 17. Dezember
- gebeten, sowjetische Truppen zu schicken, um wirksamer gegen die islamistischen Guerillas vorgehen zu können. Aber auch sein von Moskau gebilligter Nachfolger Babrak Karmal erwies sich als unfähig, diesen Widerstand zu brechen.
Für das labile Gleichgewicht des Kalten Krieges war die Situation äußerst brisant. Bereits im März 1979 war das 1960 nicht zuletzt zur Stabilisierung der Region gegründete prowestliche Bündnis CENTO, dem auch Afghanistan und die USA angehört hatten, zerbrochen. Der Iran unterstützte die Mudschaheddin, was wiederum nicht nur die USA, sondern speziell auch Moskau beunruhigte. Man befürchtete dort neben Problemen in den benachbarten islamischen Sowjetrepubliken auch ein Eingreifen des islamischen, jedoch prowestlichen Pakistan in Afghanistan. Pakistan wiederum war nicht nur eng an Washington gebunden, sondern erhielt mehr oder minder offen Unterstützung aus China, das seit der Aufnahme offizieller Beziehungen zu den USA 1979 ausdrücklich seine Zusammenarbeit mit Washington verstärkte. Einige Jahre lang erhielten die antisowjetischen Kämpfer in Afghanistan daher auch chinesische Ausrüstung. Zu einem direkten Konflikt zwischen den USA und der UdSSR kam es jedoch gerade aufgrund der brisanten Situation in der Region nicht. Carter reagierte auf den Hinmarsch wiederum auf zweifache Weise. Die offiziellen Proteste gipfelten noch 1980 unter anderem im Boykott des Westens bei den Olympischen Spielen in Moskau, wofür sich die Sowjets vier Jahre später bei den Spielen in Los Angeles revanchierten. Diesmal durften die Ostblockstaaten auf Weisung Moskaus nicht zu den Spielen fahren.
Die inoffizielle US-Reaktion in Afghanistan bestand in der geheimen Unterstützung der Mudschaheddin, die - wie man aus den lirinnerungen des Carter-Beraters Brzezinski und amerikanischer Diplomaten weiß - sogar schon vor der sowjetischen Invasion in Afghanistan begann. 9 Zunächst beschränkte sich diese militärische Hilfe, die bereits damals über Pakistan ins Land gebracht wurde, allerdings wohl, wie zuvor in Vietnam, nur auf «Beratung» und ähnliche Unterstützung. 10 Mit dem Übergang zur Reagan-Admini-stration 1981 nahm diese Unterstützung jedoch schlagartig zu. Nun erhielten die antikommunistischen Widerstandsgruppen in Afghanistan kontinuierlich Material. Wie man heute rekonstruieren kann, lieferten schließlich nicht nur die USA und China, sondern auch islamische Staaten, etwa das NATO-Mitglied Türkei, das blockfreie Ägypten, der Iran und das eng mit den USA kooperierende Saudi-Arabien. Über Saudi-Arabien leitete man nicht nur die gigantischen Mengen an Waffen und an sonstiger Unterstützung in die pakistanischen Städte Karatschi und Rawalpindi weiter, von wo aus sie über die Grenze nach Afghanistan geschmuggelt wurden. Darüber hinaus verdoppelte das saudi-arabische Königshaus jeden amerikanischen Dollar Hilfeleistung, der in den Widerstandskampf nach Afghanistan floß.
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