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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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1999 Ungarn, Polen und Tschechien in die NATO aufgenommen. Unmittelbar damit zusammen hing die Neuorientierung der westlichen Sicherheitspolitik. Sie mündete unter anderem in das sogenannte «Neue Strategische Konzept», das nicht nur die militärischen Aktivitäten der NATO neu definierte, sondern auch die Be-
    Ziehungen zu den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Daß die NATO tatsächlich kein Verteidigungsbündnis mehr war, das im Falle eines Angriffs auf einen Mitgliedstaat mit dem Einsatz aller reagierte, zeigte sich bereits 1994 im Zuge der Intervention im ehemaligen Jugoslawien, später auch in Afghanistan. Einen der größten gemeinsamen Erfolge für die NATO und den damals noch bestehenden Warschauer Pakt bildete die Abrüstung in Europa, die im 1990 geschlossenen KSE-Vertrag geregelt wurde. Allein hier waren rund 40 000 Großwaffensysteme zu vernichten und etwa 500 000 Soldaten abzuziehen. Vor allem die Abrüstungen im vereinigten Deutschland machten für viele zum ersten Mal die tatsächlichen militärischen Größenordnungen sichtbar. Von den vorhandenen 7133 Kampfpanzern wurden 4166, von den 9598 gepanzerten Fahrzeugen sogar 6152 verschrottet oder in andere Länder verschenkt. 10 Die ungeheuren Mengen ließen den Überblick zeitweilig schwer werden. So wurden die von Deutschland an die Türkei gelieferten Fahrzeuge vertragswidrig gegen kurdische Rebellen eingesetzt und Waffen aus dem ehemaligen Ostblock tauchten bei islamistischen Gruppen in Georgien auf. Noch drängender war die Frage, was mit den Atomwaffen passieren sollte. Mit dem noch im Juli 1991 geschlossenen START-Vertrag wurden neue Rahmenbedingungen für die Zeit nach dem Kalten Krieg gesetzt. Die gemeinsam beschlossene Obergrenze von jeweils 8640 Sprengköpfen und ein Verbot, das untersagte, zukünftig Raketen mit mehr als zehn Sprengköpfen zu entwickeln, sollten nicht nur die Entwicklung kontrollierbarer machen, sondern gleichzeitig das nukleare Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau erhalten. 1992 verpflichteten sich Rußland und die USA zu einer weiteren Reduzierung auf jeweils rund 3500 Gefechtsköpfe bis zum Jahr 2003. Eine vollständige Vernichtung der Atomwaffen wurde allerdings auch jetzt nicht geplant. Dagegen sprach nach wie vor die als friedenssichernd verstandene Funktion der Nuklearwaffen, aber auch die nach dem Kalten Krieg rascher fortschreitende unkontrollierte Weiterverbreitung. Da während des Kalten-Krieges allein von den Supermächten rund 1750 Tonnen hoch angereichertes Uran und etwa 230 Tonnen Plutonium hergestellt worden waren, lagerten in der GUS zu diesem Zeitpunkt bis zu 160 Tonnen Plutonium und etwa 900 Tonnen waffenfähiges Uran. 11 Bereits Mitte 1994 tauchte zum ersten Mal geschmuggeltes Plutonium und hoch angereichertes Uran aus der ehemaligen sowjetischen Bombenproduktion in Deutschland auf. In der Regel war das Material durch unterbezahlte oder arbeitslos gewordene Angestellte von Institutionen verschoben worden, die mit nuklearem Material umgingen. Diese «Hinterbliebenen des Kalten Krieges» zeigten sich als ein besonderes Problem, je mehr sich herausstellte, daß terroristische Gruppen und einige Staaten Interesse an nuklearem Material hatten. Allein Rußland übernahm als einer der Nachfolgestaaten der UdSSR 920 Einrichtungen, die mit der Rüstungsforschung und Entwicklung neuer Waffensysteme im Kalten Krieg beschäftigt gewesen waren. Bis 1995 wurden von diesen 270 geschlossen und mit ihnen rund 250 000 Personen entlassen. 12 Tatsächlich kursierten in den neunziger Jahren immer wieder Informationen, daß russische Techniker in Libyen, im Irak und Iran, in Pakistan und Nordkorea angeworben worden waren. Schon im November 1991 startete deshalb eine Gesetzesinitiative im US-Kongreß, die schließlich in einem Cooperative Nuclear Threat Reduction Program mündete, die den arbeitslos gewordenen Waffenspezialisten des Kalten Krieges eine neue Perspektive geben sollte.
    Als drittes zentrales Ergebnis der Beendigung des Kalten Krieges zeigt sich eine neue, teilweise selbständigere Stellung der ehemaligen Peripherie des Kalten Krieges. Erkennbar ist hier vor allem der weiter ausgebaute Einfluß Chinas, aber auch des politischen Islam. Die enorme politische Bedeutung der Länder an der Peripherie hatte sich während des Konflikts zum Beispiel in der Vergabe von Entwicklungs- und Militärhilfe, aber auch in den «Kleinen Kriegen» gezeigt. Entsprechend deutlich war mit dem Ende des Kalten Krieges 1991 das Interesse

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