Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
für den Nord-Süd-Kon-flikt und damit auch die finanzielle Unterstützung auf einen historischen Tiefpunkt gefallen. Die neunziger Jahre, als die erste Nachkriegsdekade des Kalten Krieges, waren deswegen auch das Jahrzehnt einer verheerenden globalen Armutskrise. Bereits die schlichte Betrachtung der Situation aus wirtschafts- und machtpolitischem Blickwinkel macht deutlich, daß dieses durch das Ende des Kalten Krieges hinterlassene Vakuum zwangsläufig Reaktionen auslösen mußte. Weltweit gesehen zeigten sich vor allem zwei Trends. Am besorgniserregendsten für die ehemaligen Hauptzentren des Kalten Krieges war zweifellos die massive Zunahme des radikalen Islamismus in der Dritten Welt. Bereits in den letzten Jahren vor 1991 hatte sich gezeigt, daß sich der von den USA in diesem Teil der Welt zunächst als antikommunistische Kraft geförderte islamistische Fundamentalismus nun zunehmend als Kämpfer für die Interessen der Dritten Welt zu etablieren suchte. Es war daher kein Zufall, daß mit dem Ende des antisowjetischen Dschihäd in Afghanistan auch eine Art islamische Entwicklungshilfe einsetzte. Sie zeigte sich nicht nur in islamischen Ländern an der ehemaligen Peripherie des Kalten Krieges, so etwa in Indonesien, sondern auch in seinen einstigen Zentren, so etwa in Staaten des ehemaligen Ostblocks mit islamischer Bevölkerung. Ein besonderer Schwerpunkt in Europa wurde Albanien und das zerfallende Jugoslawien. Neben islamischen Staaten tauchten nun auch zahlreiche private islamische Organisationen als Geber auf. Dazu zählte auch das 1988 entstandene Terrornetzwerk Al-Qaida. u Nicht ohne Grund stieg Osama bin Laden, vor allem nach den Anschlägen im September 2001, in Teilen der Dritten Welt zu einer politischen Ikone auf. Dem Islamismus ist es nach dem Ende des Kalten Krieges und der damit einhergehenden politischen Diskreditierung des Kommunismus gelungen, für Teile der nach 1991 von den Supermächten und den reichen Industrieländern alleingelassenen Dritten Welt zum ersten Mal wieder eine Art Integrationsideologie bereitzustellen. Der Politologe Samuel P. Huntington leitete daraus schon 1996 seine These ab, ein neuer, ideologisch aufgeladener Kalter Krieg werde möglicherweise mit dem Islam, eventuell aber auch mit China geführt werden müssen. 14 Tatsächlich bot China wohl den deutlichsten Beleg für die Möglichkeiten einer Neuordnung an der ehemaligen Peripherie des Kalten Krieges. Das Land war bis 1991 eine nuklear bewaffnete Großmacht des Kalten Krieges im Schatten der Supermächte geblieben. Nur zeitweilig war es gelungen, einen aktiven politischen Part im großen Konflikt zu spielen. Auch als selbsternannter Vorreiter der Blockfreienbewegung konnte Peking im Kalten Krieg nur wenige Erfolge erringen. Während jedoch die Blockfreienbewegung angesichts der Auflösung der Blöcke in eine Sinnkrise rutschte, die vor allem während der Gipfeltreffen in Jakarta 1992 und Cartagena 1995 sichtbar wurde, konnte China, trotz der weltweit verurteilten Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989, erfolgreich einen Platz in der Zeit nach dem Kalten Krieg behaupten. Nach 1991 gelang es im
Verlauf weniger Jahre, sich als kommunistischer Staat für westliche Industrienationen zu empfehlen, vor allem aber auch, sich als Vormacht in Ostasien zu etablieren. Ähnlich wie die USA in Mittel- und Südamerika konnten die Machthaber in Peking eigene wirtschaftliche Einflußzonen im Süden und im Norden Ostasiens aufbauen, was während des Kalten Krieges undenkbar gewesen war. In die südliche Einflußzone wurden unter anderem Thailand, Laos, Kambodscha, Malaysia und Indonesien einbezogen. Ironischerweise gelang es damit, auch die antikommunistischen Frontstaaten, die zunächst in der SEATO, dann in der ASEAN versammelt waren, als Wirtschaftspartner zu gewinnen. Hier zeigte sich eine der bemerkenswertesten politisch-wirtschaftlichen Konversionen in den ehemaligen Strukturen des Kalten Krieges. 15 Aber auch die Rahmenbedingungen für einen möglichen Konflikt in der Zukunft wurden bereits vorgezeichnet. Die Gründung der APEC 1989, des auf australische Initiative gegründeten asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums, zu dem neben China und einigen südostasiatischen ASEAN-Staaten auch die USA, Kanada, Rußland, Japan, Südkorea, Hongkong und Taiwan gehören, machte das deutlich. Man muß kein Prophet sein, um hier eines der zukünftigen Konfliktfelder zwischen der letzten verbliebenen Supermacht USA, der ehemaligen
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