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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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bildete, den Schluß gezogen, bereits dessen Einsetzung sei ein «Unfall» des sowjetischen Systems gewesen. 7 Folgt man dieser Auffassung, so war das Ende des Kalten Krieges in erster Linie ein historischer Zufall. Für die These spricht, daß tatsächlich viele der weiteren zentralen Ereignisse des Umbruchs 1989 fast als Glücksfälle zu bezeichnen sind: Man denke nur an die Umstände, die zur Öffnung der Mauer in Berlin führten, oder an die Tatsache, daß es - gemessen an der Dimension und dem politischen Gewicht des Umbruchs - zu relativ wenig Blutvergießen kam. Der Westen mußte vor allem über seinen eigenen Schatten springen und Gorbatschow als ehrlichen Verhandlungspartner anerkennen. Gerade in dieser Phase zeigte der Konflikt noch einmal deutlich, was der Kalte Krieg vor allem gewesen war: ein Krieg der absolut gesetzten politischen Ideen, dessen Fronten durch klassische Machtansprüche, aber vor allem auch durch die gegenseitige Wahrnehmung gebildet wurden. Die Fronten lösten sich in dem Maße, in dem die Perzeption sich wandelte. Mit Gorbatschow trat ein Politiker an, der das herkömmliche Bild sowjetischer Generalsekretäre im Westen völlig veränderte. Ihm wurde schließlich persönliche Integrität zugestanden. Insofern wurde der Kalte Krieg nicht durch die Konfrontation oder die Anhäufung von immer mehr und immer ausgereifteren Waffensystemen beendet, sondern letztendlich durch das vorsichtige Aufeinanderzugehen beider Blöcke. Aus diesem Blickwinkel trug tatsächlich die Entspannungspolitik erheblich mehr zur Beendigung des Konflikts bei, als ihr manche zugestehen möchten. 8 Ironischerweise überlebte ausgerechnet Gorbatschow als derjenige, der konsequent auf die Entspannungspolitik gesetzt hatte, politisch das Ende der Auseinandersetzung nicht.
    Unabhängig von diesen Deutungen kann man noch eine ganz anders akzentuierte Antwort auf die Frage nach Sieg und Niederlage im Kalten Krieg geben. We all lost the Cold War: wir haben alle den Kalten Krieg verloren, lautete die provokante These einer 1994 vorgelegten amerikanischen Untersuchung. Sie stellte sich auf den Standpunkt, daß unabhängig davon, auf welche Strategien und sonstigen Einflüsse der Ausgang des Konflikts zurückgeführt werde, sein krisenhafter Verlauf die Lebensqualität aller nachhaltig beeinträchtigt habe. 9 Im Umkehrschluß folgt daraus, daß die
    Beendigung des Kalten Krieges irgendwie alle zu Gewinnern machen mußte. Daß dies allerdings bei weitem nicht so war, sondern die Nachkriegszeit des globalen Konflikts erneut Gewinner und Verlierer, erwünschte wie unerwünschte Erbschaften und nicht zuletzt eine Bandbreite von weiteren Wirkungen hinterließ, die erst längerfristig erkennbar wurden, liegt auf der Hand.
    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich vier zentrale Folgen der Beendigung des Kalten Krieges nennen. Sie sind bis heute mit einer Vielzahl von noch nicht absehbaren Erbschaften belastet. Dazu gehört erstens die politische Neuordnung der traditionellen Zentren des Kalten Krieges. Die in Ostmitteleuropa und auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR entstandene Fülle neuer Nationalstaaten erklärte sich entsprechend ihren historischen Bindungen neuen Ordnungen zugehörig. Am einfachsten war dies für die ehemaligen ostmitteleuropäischen Satellitenstaaten, die sich traditionell Westeuropa verbunden fühlten. Polen, die CSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, die Baltischen Staaten, schließlich auch Teile Jugoslawiens zielten unmittelbar nach Ende des Kalten Krieges auf die Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft, die ab 1993 Europäische Union (EU) hieß. Bei vielen dieser Staaten war es einleuchtend, daß der Beginn des Kalten Krieges und die forcierte Blockbindung die Entwicklungshoffnungen nach 1945 jäh unterbrochen hatten. Vielfach waren solche Erwartungen über Jahrzehnte im antikommunistischen Exil im Westen weiter gepflegt worden. Die Erweiterung der EU als Ergebnis der Beendigung des Kalten Krieges brachte 1994 zunächst die Aufnahme der beiden bisher neutralen Staaten Österreich und Finnland. Bis 2004 folgten Ungarn, Polen, Tschechien, Estland, Slowenien, Lettland, Litauen und die Slowakei.
    Als zweites zentrales Ergebnis der Beendigung des Kalten Krieges ist die militärische Neuorganisation der überholten Blockstrukturen zu nennen. Sie beinhaltete nicht zuletzt den Versuch, die Nuklearwaffen der zerfallenden Sowjetunion unter Kontrolle zu halten. Gegen den ausdrücklichen Einspruch Moskaus wurden

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