Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Kolumne einrichtete, die die Leser regelmäßig über die neuesten Entwicklungen auf dem laufenden hielt. Wie weit die politische Wirkung Burnhams tatsächlich reichte, wurde vielen erst im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges bewußt, als US-Präsi-dent Ronald Reagan ihm 1983 die höchste zivile Auszeichnung der USA, die Medal of Freedom, verlieh und sich in der Laudatio ausdrücklich zu seinen Thesen bekannte. Sie hätten nicht nur seine persönlichen politischen Auffassungen, sondern vor allem die US-Politik mehr als alles andere geprägt. 17
Unabhängig davon, wie man zu Burnham stand, in einer Auffassung hatte er bereits 1947 recht. An bestimmten Orten auf der Welt und in einigen speziellen Bereichen war die umfassende Qualität der Auseinandersetzung deutlich stärker zu spüren. Hautnah militärisch erfahrbar war der Kalte Krieg im Iran, in China und in Griechenland. Aber auch in Westeuropa, insbesondere im geteilten Deutschland, in Frankreich und Italien, schienen die nationalen kommunistischen Parteien 1947 tatsächlich zum großen
Schlag auszuholen. Selbst der außergewöhnlich harte Winter
1947 gab dem Kalten Krieg neuen Schub, weil sich die ohnehin schwierigen Versorgungsprobleme vervielfachten. Die in diesem Jahr stattfindenden Streiks, etwa in den Werken des französischen Automobilherstellers Renault, zeigten aber noch etwas anderes: Der Kalte Krieg hatte nicht nur für alle erkennbar das öffentliche Leben erreicht, sondern vor allem die Wirtschaft - jenen Bereich, dessen Erholung in den ersten Nachkriegsjahren mehrheitlich als vorrangig gesehen wurde und der gleichzeitig am empfindlichsten auf Störungen reagierte. Die Streiks bei Renault machten gleichzeitig deutlich, daß die ökonomisch-sozialen Forderungen mit politischen Zielen verknüpft waren, die weit über den nationalen Rahmen hinausgingen. Im Dezember 1947 befanden sich nicht nur fast drei Millionen französische Arbeiter im Ausstand, sondern zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg erschütterten wieder politische Anschläge das Land. Sie konnten zwar nicht immer den Kommunisten direkt zugeordnet werden, in der öffentlichen Wahrnehmung aber erschienen sie eindeutig aus Moskau gesteuert.
Ängste, daß etwa wirtschaftliche, soziale oder auch humanitäre Probleme dem politischen Gegner in die Hände spielen könnten, waren aber nicht auf den Westen beschränkt. Bekanntlich ging das 1950 in der DDR gebildete Ministerium für Staatssicherheit aus der zuvor nach sowjetischem Vorbild entstandenen «Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft» hervor, die zum Beispiel Sabotage bekämpfen sollte. Tatsächlich zielten die seit Ende der vierziger Jahre aus den Westzonen Berlins und aus Westdeutschland verübten Anschläge - etwa der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) - häufig auf die Wirtschaft. Speziell Stalin blieb überzeugt, daß der Westen und hier insbesondere die Amerikaner ihre ökonomische Überlegenheit nutzen würden, um ihre politische Macht auszudehnen. Entsprechend massiv wandte er sich gegen Vorschläge der USA, von denen er annahm, sie würden die Sowjetunion unter dem Vorwand der ökonomischen Hilfe politisch in die Ecke drängen.
Tatsächlich machte gerade die von den Amerikanern 1947 nachdrücklich verstärkte Wirtschaftshilfe für Europa, insbesondere der sogenannte Marshall-Plan, deutlich, daß ökonomisch-soziale, humanitäre und politische Ziele eng miteinander verknüpft waren.
Die umfassende Ausrichtung der Hilfe war die Antwort auf eine als total begriffene Herausforderung. Die Entscheidung für das Programm war, wie US-Außenminister George Marshall, der Nachfolger von James Byrnes, unterstrich, nach dem Scheitern der alliierten Außenministerkonferenz in Moskau im März und April 1947 gefallen. 18 Diese Treffen, die noch auf die Potsdamer Absprachen zurückgingen und eigentlich die Friedensverträge und den Übergang in die Normalität der Nachkriegszeit vorbereiten sollten, waren seit 1945 immer wieder geplatzt. Stalin verbat sich regelmäßig westliche Einmischungen in Ostmitteleuropa, die Westmächte blok-kierten größere sowjetische Mitsprache in Mittel- und Westeuropa, vor allem in der westdeutschen Industrie. Zwar konnten nach langem Hin und Her im Februar 1947 noch die Friedensverträge mit Finnland, Rumänien, Bulgarien und Italien unterschrieben werden. Nach der erneut unbefriedigend verlaufenden Konferenz in Moskau, von der Marshall Ende April 1947 frustriert zurückkehrte, war der
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