Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Bretton-Woods-System teilhaben konnten. In Kennans «Langem Telegramm» wurde diese Verweigerung ausdrücklich als Beleg sowjetischer Aggression verstanden, als Zeichen, daß die UdSSR «die Sowjetunion und die angrenzenden sowjetisch beherrschten Gebiete zu einer autarken Einheit zu machen» gewillt sei. 26 Mit dem Rückzug der UdSSR war das Weltwährungssystem nun eindeutig westlich dominiert. 27 Selbst nach dessen Zusammenbruch 1971 bestimmte die politische Dominanz der USA weiterhin die Spielregeln. Das von der UdSSR 1949 gegründete Konkurrenzsystem für den Ostblock, der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW bzw. COMECON), blieb ein schwacher Verbund. Erst fünfzehn Jahre später gab es eine gemeinsame Bank und mit dem bilateral abgerechneten Transfer-Rubel schließlich auch eine eigene Währung. Seit den Siebzigern wurde ein Teil des Handels innerhalb des Ostblocks sogar wieder in Dollar abgewickelt. 28
Daß die Auseinandersetzung 1947 bereits eine umfassende Dimension erreichte, zeigte sich nicht zuletzt in jenem legendären italienischen Wahlkampf, der nicht nur zu einer Schlacht zwischen den Weltanschauungen stilisiert, sondern für die Amerikaner zur eigentlichen Geburtsstunde ihres schließlich global geführten Geheimdienstkrieges im Kalten Krieg wurde. Insbesondere die USA hatten auf das Vorziehen des eigentlich erst für 1948 geplanten Wahlkampfs gedrängt, weil sie befürchteten, Italien könnte aufgrund der zunehmenden Stärke der italienischen KP, der PCI unter Palmiro Togliatti mit ihren rund 1,76 Millionen Mitgliedern, zu einem Satellitenstaat Moskaus werden. Togliattis Nähe zu Stalin war bereits rein äußerlich kaum zu übersehen, und auch sonst prangten in diesem Jahr auf vielen Mauern Porträts des sowjetischen Staats- und Parteichefs, der hier vertraut Baffone - der Schnauzbart - genannt wurde. «Wir hatten alle den Eindruck, daß der Wind in unsere Richtung wehte», erinnerte sich später der ehemalige PCI-Minister Fausto Gallo. 29 Gerade die Kommunisten konnten im Wahlkampf nicht nur auf das Scheitern des Faschismus und die Verdienste ihres Widerstands gegen die deutsche Besetzung bauen. Vor allem im ländlichen Süditalien mit seiner bedrückenden Armut war die brennende soziale Frage, für deren Lösung sich die PCI besonders engagierte, unübersehbar. Kampflos wollten die USA den Wahlsieg allerdings nicht den Kommunisten überlassen. Neben der Drohung, Italien vom Marshall-Plan auszuschließen, setzten die Amerikaner auf die geheime Förderung der Christdemokraten. Ihre finanzielle Unterstützung von etwa zehn Millionen US-Dollar kam vorwiegend aus geheimen «Reptilienfonds», die pikanterweise aus beschlagnahmten Guthaben der ehemaligen Achsenmächte angelegt worden waren. 30 Auch Spenden der italoamerikanischen Gemeinden in den USA wurden gezielt verwendet. Das Geld floß in Plakataktionen, Rundfunksendungen oder auch in einschlägige antikommunistische Filme, die man selbst in den entlegensten Gebieten vorführte. Parallel dazu gab es umfängliche Briefaktionen aus dem Ausland, mit denen etwa Italoamerilcaner ihre Landsleute zur Wahl der Christdemokraten aufriefen.
Die umfassende Dimension, die der Kalte Krieg angenommen hatte, zeigte sich in Italien nicht zuletzt in der direkten politischen Beteiligung der Katholischen Kirche, die sich hier mit Hilfe der auch in anderen Staaten tätigen Katholischen Aktion auf der Seite der Christdemokraten engagierte. In Italien setzte der Vatikan auf den dortigen Führer dieser Laienorganisation, Luigi Gedda, auf dessen Vorschlag hin der italienische Wahlkampf als eine Art «Heiliger Krieg» gegen die «atheistischen Kommunisten» geführt wurde. Selbst die Exkommunizierung wurde als Druckmittel eingesetzt. Tatsächlich erwies sich diese Arbeit in der vom Katholizismus tief geprägten italienischen Gesellschaft als überaus wirkungsvoll. Am 18. April 1948 zeigte der christdemokratische Sieg in beeindruckender Weise, daß sich der umfassende Einsatz gelohnt hatte. Schon wenig später wurde diese «totale» Auseinandersetzung der Ideologien auch Thema zahlreicher Satiren.
Entsprechend den vermeintlich totalen Ansprüchen des globalen Krieges wurden ab 1947 auch die Institutionen auf beiden Seiten angepaßt. So war bereits die in diesem Jahr aufgebaute Verwaltung für den Marshall-Plan (ECA) nicht mehr allein für Europa, sondern zum Beispiel auch für China zuständig. Mindestens ebenso wichtig wurde die umfassende Umgestaltung der
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