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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Schneider. Sie berührte Adameks Arm. »Die Phantombilder sind schon in Arbeit. Die Hubschrauberstaffel ist in Stuttgart.«
    »Ruf an. Und lass Straßensperren errichten.«
    »Straßensperren?«, fragte Scheul.
    »Sie haben ihn entführt«, erklärte Schneider.
    »Entführt?«
    Ungeduldig wandte Adamek sich ab, während Schneider antwortete, und ging zu der viereckigen Brandstelle, aus der die Stahlpfeiler ragten.
    »Ihm was antun? «, hörte er Scheul fragen.
    Ihn töten, dachte er.
    »Ihn töten«, sagte Schneider.

26
    MITTWOCH, 3. APRIL 1991
    NAHE ROTTWEIL
    »Wo der Mägges bloß bleibt …«
    »Ich weiß es nicht, Tommy.«
    Sie lagen im nächtlich dunklen Stall der Bachmeiers auf dem Heuboden, schräg unter ihnen bewegten sich die Kühe im Schlaf. Aus dem Wohnhaus drangen laute Stimmen herüber, hin und wieder ein Schluchzer der Mutter. Ein milchweißer Streifen Mondlicht verlief längs über Jelenas Seite, seine Hand folgte ihm, strich ihr über Schulter, Arm, Taille, Po, kehrte zur Schulter zurück. Begann von neuem. »Lass uns schon mal anfangen«, sagte er.
    »Ja, aber womit?«
    »Keine Ahnung. Mit Küssen.«
    Sie lachten leise.
    Küssten sich.
    »Mein Sonnenschein und ich …«, murmelte Jelena an seinen Lippen.
    Halb neun, hilfst du mir?, hatte Markus vor zwei Stunden am Telefon gefragt.
    Klar. Er half immer, wenn er Zeit hatte, manchmal mit, manchmal ohne Jelena.
    Gelegentlich trank sich der alte Bachmeier ins Delirium, dann wurden Strafarbeiten verteilt. Die Frau hatte das Haus blankzuschrubben, der Sohn in Stall oder Scheune Aufgaben zu erledigen, die sinnvoll waren oder auch nicht. Waren sie nicht vor Mitternacht erledigt, wurde er verprügelt.
    Manches war nur zu dritt bis Mitternacht zu erledigen.
    Im Haus bellte Methusalem. Der Vater brüllte etwas, dann lachte er.
    »Ich verstehe nicht, warum er nicht weggeht.«
    »Der Mägges?«
    »Ja.«
    Jelenas Finger glitten über seine Wange. »Er will eben nicht.«
    »Trotzdem.«
    Der Hof war alles, was Markus hatte, alles, was er wollte. Geduldig harrte er aus, bis der Vater eines Tages nicht mehr sein würde. Ließ sich verprügeln, als Arbeitssklave missbrauchen.
    So hatte jeder seine Probleme.
    Selbst Josip, in dessen Schränken Motten hausten, die seine Kleidung fraßen – daher der Lavendelgeruch. Kein After Shave, wie Thomas lange geglaubt hatte.
    Und dann war da die Krajina.
    »Ruhig, Tommy«, sagte Jelena. »Wir müssen ruhig bleiben.«
    Er suchte ihren Blick und nickte.
    Lächle, Jelena, lächle …
    Aber sie lächelte nicht.
    Der Mittwoch nach dem Osterwochenende, das einen neuen Namen bekommen hatte: Krvavi Uskrs na Plitvicama.
    Blutige Ostern in Plitvice.
    Verschneite Straßen, ein blauer Bus aus Zagreb mit zerschossenen Fensterscheiben, Blutspuren im Schnee, ein Konvoi aus kroatischen Polizei- und Militärfahrzeugen.
    Hast du’s gesehen?
    Ja, ich hab’s gesehen, Tommy.
    Wir reden nicht drüber, in Ordnung?
    In Ordnung.
    Im Wohnzimmer der Ćavars hatte Aufruhr geherrscht. Verwandte, Nachbarn, Parteifreunde gaben sich die Klinke in die Hand, ließen sich von Josip, der auf dem Stuhl unter Hamburg am Fenster saß, berichten und erklären, während im Hintergrund kroatische Radio- und Fernseherstimmen zu hören waren.
    Am Karfreitag hatten bewaffnete Krajina-Serben die kroatische Aufsicht des Nationalparks vertrieben, um die Kontrolle über wichtige Verkehrsrouten zu übernehmen. Am Ostersonntag waren kroatische Polizisten und Sondereinheiten des Innenministeriums in den Park vorgedrungen, einer ihrer Busse beschossen worden. Ein Gefecht begann, zwei Polizisten starben, ein Kroate und ein Serbe, die ersten Toten des Konflikts. Am Ostermontag schob sich die Jugoslawische Volksarmee zwischen die Gegner, am Dienstag zwang sie die kroatischen Einheiten, sich zurückzuziehen.
    Im Wohnzimmer der Ćavars sagte Josip: Überall, wo Serben leben, werden sie uns Kroaten ermorden, ausrauben, vertreiben. Der Velebit wird serbisch, Save und Drau werden serbisch, die Baranja und Slawonien und die Lika. Für uns Kroaten wird in unserem eigenen Land kein Platz mehr sein, wenn die Tschetniks nicht aufgehalten werden!
    Was du tun sollst?, rief Milo in ihrem Zimmer. Nichts, du Idiot! Fang an zu studieren und heirate Jelena und zieh mit ihr weg, weg von Papa und Josip!
    Milo konnte nicht verstehen. Er hatte viele Argumente, aber eine andere Sehnsucht – er wurde, weshalb auch immer, von der Revolte gegen den Vater getrieben. Um ihn zu widerlegen, beschaffte er

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