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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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schimmerte.
    »Das macht Spaß?«
    »Ja«, sagte er.
    Sie passierten einen Bauernhof. Eine Handvoll ältere Menschen saßen auf einer Holzbank vor dem Wohnhaus, blickten hinüber zum Nachbarn Bachmeier, ferne, ratlose Zuschauer. Adamek verspürte den Wunsch, sich zu ihnen zu setzen, ihnen bei einem Glas Selbstgebranntem die Furcht vor dem Bösen zu nehmen, das in ihr Tal eingedrungen war.
    Aus dem Teerbelag wurde Schotter. Erst spät nahm Adamek gegenüber vom Stall vier stählerne Träger wahr – mehr war von der Scheune nicht geblieben. Nachdem er ausgestiegen war, sah er auch das Aschefeld mit den verkohlten Resten von Dach und Wänden.
    Ein Hauptkommissar empfing sie, Georg Scheul, ein untersetzter Mann Mitte vierzig mit Schnauzer und unterwürfigem Blick, der immer wieder Hilfe suchend zu Schneider glitt. Die Kollegen, berichtete er, seien bereits im Haus und im Stall gewesen, hätten jedoch niemanden angetroffen. Einer sei ein Vetter vom Bachmeier und habe dessen Frau angerufen. Sie sei gegen dreiviertel sieben mit der Tochter fort, jetzt wieder auf dem Weg hierher.
    »Fort?«, fragte Adamek.
    »In Sicherheit. Wegen dem Feuer.«
    »Das Feuer ist aus.«
    »Es ist zu gefährlich, sagt er. Sie haben hier jede Menge alte Kabel. Er will alle überprüfen. Nicht dass es noch mal passiert.«
    »Sagt wer?«
    Scheul errötete. »Sagt Bachmeier, sagt seine Frau.«
    Er sprach starken Dialekt und nuschelte, und Adamek verstand ihn kaum. Vielleicht, dachte er, sollte das so sein.
    Berliner Kripoleute machten es Fremden im eigenen Revier auf andere Weise schwer. Sie waren Platzhirsche, harte Männer und Frauen, erprobt in der Kälte der Metropole, und fühlten sich deshalb überlegen. Sie hatten alles gesehen, im Gegensatz zu den Fremden. Den Dialekt nutzten sie zur geographischen Verortung. Sie brauchten ihn, um sich heimisch zu fühlen in der Kälte, nicht als Geheimsprache zur Abgrenzung.
    »Weiß sie, wo er ist?«
    »Nein.«
    »War er hier, als sie fort ist?«
    »Ja.« Scheul hatte zu schwitzen begonnen, obwohl ein kühler Abendwind durchs Tal zog.
    »Fahrzeuge?«
    Scheul hob einen kurzen Arm. »Das Auto steht hinter dem Stall. Der Traktor ist auch da. Das Fahrrad hat einen Platten. Wenn, dann ist er zu Fuß weg.«
    »Mit dem Bein?«, fragte Schneider.
    »Sie waren schneller als wir«, sagte Adamek und sah sie nicken.
    Zuerst zu Bachmeier, hatte sie am Nachmittag vorgeschlagen. Wenn er auf sie gehört hätte, dann hätten sie bereits mit ihm gesprochen. Jetzt war es vielleicht zu spät.
    Das war das Problem mit den Berlinern, dachte er. Sie fühlten sich auch im fremden Revier überlegen.
    Scheul sagte etwas.
    »Was?«, fragte Adamek gereizt.
    »Wir haben Spuren«, wiederholte Schneider.
    Scheul führte sie zu einem der Streifenwagen, die am Anfang des Vorplatzes geparkt waren. Adameks Herzschlag setzte für einen Moment aus – neben dem Wagen, am Rand des Feldes, befand sich ein Grab mit einem Holzkreuz aus zurechtgesägten Brettern. Um die Streben waren frische Wiesenblumen geflochten.
    Aber das Grab war viel zu klein für einen Mann.
    »Achtung, bitte«, sagte Scheul.
    Sie blieben stehen.
    Auf der Querstrebe stand in schwarzer Handschrift: Methusalem 15.8.1990 – 14.10.2010.
    »Dem Bachmeier sein Hund. Herzinfarkt, wegen dem Feuer.«
    »Kein Hund wird zwanzig Jahre alt«, sagte Adamek.
    »Der hier schon. Aber am Ende war er fast taub und blind.«
    »Sagt wer?«
    »Der Vetter.«
    Adamek betrachtete den versandeten Boden um das Grab. Zwei unterschiedliche Sohlenprofile. Bei einem Paar war der linke Eindruck tiefer, der rechte Schuh weniger belastet worden – Bachmeier mit dem kaputten Bein. Er hatte Arbeitsschuhe getragen. Das zweite Profil gehörte zu Straßenschuhen.
    »Als seine Frau gefahren ist, war er allein«, sagte Scheul. »Aber der Nachbar« – der kurze Daumen zeigte über die Schulter – »hat zwei Männer graben gesehen. Eine halbe Stunde lang, sagt er. Dann sind sie eine Weile dagestanden. Dann waren sie plötzlich fort.«
    Adamek warf einen Blick auf den Nachbarhof, der mindestens zweihundert Meter entfernt lag. »Ihr habt gute Augen hier.«
    »Eher gute Ferngläser.« Zum ersten Mal lächelte Scheul. »Er glaubt, er kennt ihn. Einer vom Balkan, hat vor ein paar Tagen bei ihm nach Arbeit gefragt.«
    »Weiß er den Namen?«
    »Nein.«
    »Wir brauchen Phantombilder und einen Hubschrauber«, sagte Adamek.
    »Einen Hubschrauber?«, fragte Scheul.
    »Sie sind noch nicht lange weg und zu Fuß«, erklärte

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