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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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ihn. Jordan reichte ihm das Fernglas, doch Igor wehrte ab. »Ich sehe sie.«
    Die Blaulichter bewegten sich jetzt langsamer voran, verharrten schließlich. Falls sie nicht zu einem Verkehrsunfall ausgerückt waren, sammelten sich die Einsatzkräfte an der Zufahrt zum Tal.
    Dann verließen sie die unsichtbare Landstraße im Neunziggradwinkel, kamen auf sie zu.
    Der Wald verschluckte sie.
    »Fünf Minuten.«
    »Das reicht nicht«, sagte Igor.
    Jordan stand auf. Sorgsam darauf bedacht, nicht in Blut zu treten, ging er am Rand der Plane in die Hocke. Bachmeiers Atemzüge kamen mit unregelmäßigen Pausen, die Arme zitterten, die Finger zuckten. Die Augen waren zugeschwollen, aus den Mundwinkeln floss Blut.
    »Sie sind sehr tapfer«, sagte er auf Deutsch. »Sie haben sich entschieden, für einen Freund zu sterben.«
    Der Kopf bewegte sich kaum wahrnehmbar zur Seite. Nein.
    Nein, ich will nicht sterben.
    »Ihre Frau und Ihre Tochter werden Sie in guter Erinnerung behalten. Das ist ein großer Trost. Ihrem Freund Thomas bringt es nichts, wir finden ihn auch ohne Ihre Hilfe. Wenn Sie nicht reden, holen wir uns Milo. Wenn Milo nicht redet, den Vater. Irgendjemand wird reden. Vielleicht Milos Frau? Oder Ihre Frau … Weiß Theresa, wo Thomas ist? Weiß es Ihre Tochter?«
    Wieder die Kopfbewegung, dann ein Flüstern: »Der Tommy ist doch tot …«
    »Nein«, sagte Jordan.
    Er kehrte ans Fenster zurück. Für einen Moment noch herrschte Ruhe im Tal, dann flammten am Waldrand die ersten Blaulichter auf. Vier Streifenwagen, ein ziviler. Jetzt waren auch die Martinshörner zu hören.
    Er wandte sich Igor zu. »Bereit?«
    »Ja.«
    Sie knebelten Bachmeier und zogen ihn auf die Beine. Igor überprüfte die Fesseln und führte ihn hinaus, Jordan legte die Plane zusammen und folgte ihnen. Schon bevor er zum ersten Mal hier gewesen war, hatte er den Grundriss des Hofes studiert – Marković und dessen unbezahlbare Kontakte. Sie würden kaum mehr als fünfzig Schritte machen und doch einen weiten Weg zurücklegen. Mit Markus Bachmeier in die eigenen Erinnerungen, den eigenen Albtraum zurückkehren.
    In die Dunkelheit.

25
    DONNERSTAG, 14. OKTOBER 2010
    NAHE ROTTWEIL
    Schneider hatte das Blaulicht aufs Dach gesetzt, sie rasten über die Landstraße nach Westen. Meist fuhr sie auf dem Mittelstreifen oder links, sie war die Herrin auch des außerstädtischen Verkehrs.
    Und Lorenz Adamek vertraute ihr.
    Durch einen Wald gelangten sie in ein stilles Tal, die Hügel von dunklem Rot bedeckt, in der Ebene Wiesen, Äcker und Felder, die Sonne war eine Stunde zuvor untergegangen. Das, dachte Adamek, war doch viel erfreulicher, als im 24. Stock über einer Stadt zu sitzen, um sie nach Feierabend nicht mehr berühren zu müssen: den Fuß in eine solche Landschaft zu setzen.
    In der Ferne tauchten zwei Gebäude auf, umspielt von flackerndem Blaulicht. Schneiders halbe Dienststelle war vor Ort.
    »Und wenn er ein Kriegsverbrecher ist?«, sagte sie.
    »Ćavar?«
    »Es würde erklären, warum Marković ihn finden will. Sie wollen vertuschen, was er getan hat. Kroatien will in die EU , und da ist dieser Prozess in Den Haag.«
    Auch Adamek war der Gedanke gekommen. Er gefiel ihm nicht.
    Er dachte an den Onkel, Genschers Experten für Jugoslawien, von Mitte Mai 1991 an Leiter des Südosteuropa-Referats des Auswärtigen Amtes. Nein, der Gedanke, dass ein guter Freund Richard Ehringers ein Kriegsverbrecher gewesen sein könnte, gefiel ihm überhaupt nicht.
    »Hast du mal ein Foto von ihm gesehen?«, fragte Schneider.
    »Von wem?«
    »Dem General, der in Den Haag einsitzt.«
    »Nein.«
    »Er sieht toll aus. Sehr männlich und heldenhaft.«
    »So?« Adamek rang sich ein Lächeln ab. »Dein Beuteschema? Generäle?«
    Schneider lachte. »Nein. Eher Buchhalter, Bankangestellte, so was.«
    »Die Zuverlässigen und Soliden.«
    »Mit Zeit für die Kinder, wenn man dienstlich unterwegs ist.«
    »Verstehe.« Sein Blick streifte das Foto mit den beiden braven Buben, und für einen Moment fühlte er sich den Zuverlässigen und Soliden unterlegen. Sie hatten Familien gegründet, er nicht.
    »Und deins?«
    Er sah sie an. Nasen, dachte er, spielten inzwischen eine gewisse Rolle. »Intellektuelle.«
    »Ach ja? So mit Stock im Arsch?«
    Er lachte. Ja, mit Stock im Arsch, warum nicht, ihm gefiel das. Die Momente, wenn der Stock mal draußen war. Doch auch sonst, wenn sie beredt die Welt und die Menschen erklärten und in ihren Augen die Angst vor der Wirklichkeit

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