Der Kalte
Hardtgasse. Ich wollte dringend mit ihm schlafen.
Das taten wir.
11.
Während Margit ausgepumpt und tief in sich verrollt einschlief, lag Karl Fraul mit dem Rücken zu ihr noch herum, die Augen geöffnet. Er spürte Restlust in sich, und er begann in seiner Betthälfte mit der Hüfte am Leintuch zu scheuern, winkelte die Beine an und ab, bog das Kreuz hohl, schüttelte mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand sein Geschlecht. In seiner Nase breitete sich der Duft von L'Air du Temps aus. Er richtete sich auf und sog den Parfumgeruch der Astrid von Gehlen ein. Sein Schniefen war vernehmlich gewesen, sodass Margit ihre Augen auftat und ihn mit einem kindlichen Lächeln bedachte, welches von einer ihn unangenehm anmutenden Seligkeit umrahmt war. Er nickte der Frau zu, stieg aus dem Bett, drückte mit der Handfläche sich das halberigierte Glied zwischen die Oberschenkel, nachdem er bemerkt hatte, dass Margits Blick darauf gerichtet war. Er zog sich an. Margit hatte sich wieder umgedreht, kehrte ihrerseits dem schweigend mit seiner Kleidung beschäftigten Mann die Rückseite zu und schloss wieder die Augen. Als er sich über sie beugte, um ihr einen Kuss auf die Schläfe zu geben, schwieg sie. Er richtete sich auf, wiegte mit dem Kopf und verließ die Wohnung in der Hardtgasse. Im Nieselregen ging er hinunter zum Gürtel, hielt dort ein Taxi an und ließ sich ins Pick Up fahren.
Macht sich die Astrid über mich lustig? Die Freifrau macht sich sicher über mich lustig. Sie hat mir unverhohlen auf den Hintern geschaut, als ich … Ich machs, ohne dass sie es merkt. Das ist der Unterschied, das ist der Unterschied. Die will nichts von mir, die will mir zeigen, wer sie ist, was sie ist. Sie ist toll. Ich muss einfach achtgeben. Die macht
mich fertig, die spielt sich mit mir. Der Dauendin frisst ihr aus der Hand, der Schönn frisst sogar ihre Hand, alle hat sie auf leiwand. Wenn sie mich vernaschen will, soll sie. Wer bin ich, dass ich mich ihr widersetze? Ich muss froh sein, dass.
Merkt die Margit etwas? Die geht mir auf den Sack. Die geht mir ständig an den Sack. Die hat mich am Sack. Alle wollen mich am Sack haben. Die Freifrau, will die mich auch am Sack haben? Schmeißt mich dann der Schönn aus dem Stück? Vögelt er sie? Lässt sie sich von ihm vögeln? Kann sie sich ihm widersetzen?
Ich soll die Margit zu meinen Eltern bringen, damit sie eingeführt wird? Ihn interessiert das doch nicht. Mama sagt Ja und Amen zu allem, na, Amen nicht, gut, gut, sagt sie. Tu, was dir guttut, sagt sie, sie tut allerdings alles, was ihr nicht guttut, so ist meine Mama, sie sagt den andern, was sie sich sagen sollte, und sie sollte den andern sagen, was ihr guttut.
Lieber Vater, das ist die Margit Keyntz, sie ist Turnusärztin. So, so, wird er sagen. Ichich, wird er sagen, ich ich war Lagerschreiber beim Standortarzt von Auschwitz, ich ich. Passen Sie auf, Frau Keyntz, dass Sie nicht auch einmal Standortärztin in Auschwitz werden. Hihi, da tät meine Schnepfe schauen, aber den Alten interessiert einen Dreck, wer Margit ist und wie sie zu mir ist. Der denkt sich, wäre sie vierzig Jahre älter und Ärztin, wer weiß, wofür die sich hergegeben hätte.
Mama wird wohl nie ihre Angst verlieren, wenn er ständig das damalige Personal vor ihr aufmarschieren lässt. Tut er das? Zu ihr redet er ja nicht, aber sicher ist, er tut ihr nicht gut.
Die Freifrau tut mir gut, die tät mir gut, ach da hätt ich aber was, wenn ich sie am Arsch hätte. Aber dann schmeißt mich der Schönn aus dem Stück.
Der findet doch keinen Besseren. Der wär doch blöd. Er kann sie ja weiter vögeln, auch wenn ich sie am Arsch habe. Trottel, nicht ich hab sie am Arsch, sie hat mich am Sack. Ich muss achtgeben.
Hoffentlich ist der Hirschfeld im Pick Up. Der weiß vielleicht, was ich tun soll, was mir guttut und nicht zugleich schadet. Der Dichter weiß Bescheid, der weiß so genau Bescheid, und er kennt mich. Der kennt mich, denn er ist ein Dichter, der wird mir was sagen. Wie viel macht es?
Ich saß mit Roman Apolloner beim Wein und versuchte herauszubekommen, weshalb er sich derart in die Zeitgeschichte verbissen hatte. Es gelang mir nicht, also hielt ich ihm einen hübschen Vortrag über die Exzesse des modernen Philosemitismus, die vor allem von den Söhnen und Töchtern der Nazis verübt werden. Es seien die unentwegten und lächerlichen Versuche, von der Täter- auf die Opferseite überzuwechseln, obwohl sie doch als Nachmalige weder das
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