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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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das. Weiß er nicht, dass ich mich in das Geschäft von Dietger nicht einmische? Ich will mit ihm in Wien ebenso gut zurechtkommen wie schon in Essen. Oder noch besser. Die Burg hier ist ja die Intrigantenhölle schlechthin. Ich halte mich raus. Ich habe meine Rollen, es sind die, die ich will, und basta. Aber mein Dauendin muss immer mitmischen. Dass er nicht eifersüchtig auf den Fraul ist.
    Gestern nach der Probe wartete Karl Fraul auf mich bei der Bühnentür, als wäre er ein Fan und wolle ein Autogramm. Wir standen uns gegenüber, prompt kam Felix heraus und mit ihm Dietger. Beide lächelten uns an und gingen ohne ein Wort davon.
    »Sie bringen mich ins Getratsche«, sagte ich zu Fraul.
    »Ah was. Gehen wir ins Landtmann. Ist eh schon wurscht. Hast du Zeit?«
    »Seit wann duzen wir uns?«
    »Seit vorgestern. Vergessen?«
    Ich hatte etwas getrunken, na ja. Wir gingen rüber und nach hinten, denn in die Auslage wollte ich mich nicht mit ihm setzen. Er ist immerhin an die acht Jahre jünger, und Zores will ich keine haben. Er umrundete mich geschmeidig, und während dieser Bewegung streifte er mir den Mantel ab. Ich spürte eine kleine Wärmewelle, setzte mich in die Loge hinein, schaute ihm zu, wie er ihn und seine Jacke forttrug. Herr Henning begrüßte mich und brachte mir meinen Prosecco. Ich trank ihn in einem Zug aus, Herr Henning wartete, nickte und brachte mir den zwei
ten, den eigentlichen. Ich fühlte mich angespannt, ich hatte kein gutes Gefühl, ich fürchtete mich nahezu, dass der Fraul in meinen Freundeskreis hineinintrigiert, sich mit Felix und Dietger männerverbündet. Die scheinen von mir zu erwarten, dass ich mit dem Fraul ins Bett gehe, damit sie sich dann zunicken und bei Bedarf Front gegen mich machen können. Seit der Sache in Essen mit Carsten hat sich mein Felixchen umorientiert. Wir schlafen ohnedies getrennt, aber so getrennt habe ich mit ihm seit Carstens Zeiten nicht gelebt. Dabei wüsste ich nicht, wie ich ohne Felix zurechtkäme, er kennt mich und kann mich so gut erden. Dass ich noch Erdungen brauche, ich geh mir auf die Nerven, ich geh mir so auf die Nerven. Warum sitze ich da und berate den Fraul und spüre die weichen Knie?
    Wir redeten über Schönn.
    »Bevor er was sagt, weiß ich, was er meint. Es ist phänomenal. Bloß das mit der Heldenverehrung irritiert mich«, sagte Fraul und blies mir seinen Atem ins Gesicht.
    »Du hast einen Heldenvater. Duncan ist ein Held, er wird gemetzelt. Betrachte den Macbeth als SS . Ganz einfach.« Ich hörte mir verärgert zu, wie ich so daherredete.
    »Was ihr alle mit meinem Vater habt. Wenn ihr wüsstet, was das für ein fader Knochen ist. Der und ein Held.«
    »Es gibt auch langweilige Helden«, erwiderte ich. »Nicht jeder hat gegen die Faschisten in Spanien gekämpft. Nicht jeder war in Auschwitz Mitglied der Widerstandsbewegung. Ich wünschte, ich könnte das von meinen Eltern zwitschern.«
    »Eltern, Eltern. Man ist selbst was, oder man ist nix, das ist schon alles. Was machst du nachher?«
    »Wann nachher?«
    »Jetzt.«
    »Willst du mich anbaggern?«
    »Anbaggern und abschleppen.«
    Er saß mir so gegenüber, als würde er mich mit dem nächsten Atemzug über den Tisch saugen und inhalieren. Ich winkte den Ober Ferdinand herbei, zahlte das Ganze, schob mich aus dem Sitz heraus, ging an Fraul vorbei zum Mantel. Dabei erwartete ich, dass er mich am Schenkel aufhielt, und als ich bei ihm vorüber war, dass er mir mit seiner Hand auf meinen Hintern –, dass er auf ihn schaute, während ich davonging. Stattdessen hörte ich ein Gelächter, ich drehte mich zu ihm, da stand er mir ohneweiters gegenüber.
    »Wohin gehts?«
    Was blieb mir übrig? Felix war noch in Salzburg. Als ich im Taxi meine Wohnadresse nannte, grinste er breit.
    »Gleich neben der Margit.«
    »Wer immer das ist«, sagte ich lachend.
    »Wer immer das ist.« Und er begann mich zu küssen.
    14.
    Umgedreht hat er sich nicht, dachte sich Rosinger. Warum auch? Ich gehöre zu den Wichten, nach denen sich keiner umschaut in normalen Zeiten. Er hat mich beachten müssen, der dünne Edi, damals in der schlimmen Zeit. Jetzt kann er ruhig beim Türl rausgehn, ohne sich umzudrehen. Rosinger kratzte sich den Rippenbogen entlang und hatte wie so oft das Gefühl, nicht gewaschen zu sein, obwohl er ohnedies eine Viertelstunde geduscht hatte. Gedankenverloren steckte er den Zeigefinger ins Bier und rührte um, dann kratzte er sich neuerlich. Schließlich erhob auch er sich, zahlte und

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