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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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Grillgasse einen Richtung Schwarzenbergplatz nahm. Bei der Schlachthausgasse stieg er aus, ging seinen Weg zur Stadionbrücke, zögerte, um sie hernach zu überqueren, nicht ohne in der Mitte der Brücke übers Geländer auf den Donaukanal zu schauen. Er beugte sich vor, hielt dabei seinen Hut fest, wenngleich es windstill war. Die Simmeringer Gasometer standen rund und dick im Osten wie immer, und Fraul bedachte sie mit flüchtigem Blick. Als er wieder aufs Wasser sah, drang Stille in ihn ein. Ein Schweigpfropfen stand er da beim Brückengeländer, hinter ihm der Verkehr, unter ihm das Dahinrinnen des Flusswassers. Er senkte sein rechtes Ohr zur Schulter hinab und versuchte zu erlauschen, was in ihm schwieg, bis schließlich ein Knistern anhob. Es blieb im Ohr, auch als er den Kopf
wieder hoch und gerade hielt, und knisterte fort. Fraul schaute hierauf zur Stadionallee und wartete geduldig, bis das Knistern abbrach. Eine Stimme im Doppelhall schlug an, er vernahm den geechoten Satz: »Ist in den Draht gegangen.« Es folgte ein Knall. Fraul nickte, schob beide Hände in die Manteltaschen und marschierte in den zweiten Bezirk hinein, wieder eingemeindet in den Klangalltag der Gegend, die er durchschritt. Bevor er in die Schüttelstraße einbog, betrachtete er den Atomreaktor, an den sich die Leute der Umgebung gewöhnt hatten. Auf der Praterseite der Schüttelstraße überholte er ein betagtes Ehepaar, welches Arm in Arm vor ihm einhergegangen war. Wiederum dachte er dabei an Franziska, indem er sie in ihrem Zimmer beim Tisch sitzen sah, ihren Blick auf die Türschnalle gerichtet, bis sich die Tür geöffnet haben würde, damit Leute hereinkommen, um sie und die Gegenstände um sie herum etwas zu bewegen.
    Er betrat das Gasthaus Zum Praterer am Eck zur Friedensgasse, nickte dem Wirt zu und setzte sich zu dem Tisch, der wie durch Zauberei immer frei war, wenn er kam. Es war, als ob die durchaus zahlreichen Gäste diesen Tisch seinetwegen mieden, obwohl er bloß jeden zweiten Donnerstag erschien. Er setzte sich, bestellte beim Vickerl Augsburger mit Spinat, gerösteten Erdäpfeln und Spiegelei, holte sich den Kurier, spannte ihn aus und legte ihn neben das Seidel Bier, das Vickerl soeben auf den Tisch gestellt hatte.
    Während er ohne Reaktion auf den Geschmack der Augsburger einen Bissen nach dem anderen zum Mund führte, kaute und schluckte, las er den Kurier von vorne nach hinten durch. Er verspürte ein Ziehen im Nacken, blickte auf und sah, dass ein Mann in der Eingangstür des Wirtshauses stand und verdrossen in die Gaststube hineinschaute. Fraul senkte seinen Blick ab und ließ ihn wiederum die Zeitungs
zeilen entlanglaufen. Was macht der Rosinger hier, dachte er.
    Der schaute sich um, sah wohl auch den zeitunglesenden und dabei essenden Herrn, ging an ihm vorüber, um sich an den Ecktisch rechts hinten niederzulassen. Beide saßen mit dem Gesicht zum Eingang, doch während Rosinger in der Speisekarte blätterte, begann sich Fraul mit seinem Oberkörper nach rechts hinten zu verlagern, als wollte er, ohne sich umzudrehen, herausbekommen, was sich dort ereignen könnte. Schließlich aß er auf, rief den Vickerl, um zu zahlen. Rosinger schaute unwillkürlich auf Frauls Hinterkopf. Es ging ihm etwas durch den Sinn, und er begann in seinem Gedächtnis zu kramen. Waren es die kleinen fleischigen Ohren oder die Stimme des Mannes seitlich vor ihm? Er begann zu schwitzen, sah ratlos zu, wie Fraul zu seinem Mantel ging, ihn anzog und ohne sich umzudrehen den Praterer verließ.
    Er schaut aus wie früher, dachte Fraul und ging heim, die Hände wie stets in den Manteltaschen geborgen.
    13.
    Ich habe mich ziemlich gefürchtet, als Dietger den Malcolm nun mit dem hübschen Schnösel Fraul besetzt hat. Erst war er für den Macduff vorgesehen, aber wie ich höre, hat sich Felix stark gemacht, dass er den Malcolm macht.
    »Weißt du, Astrid«, sagte mir Dauendin unlängst zwischen Tür und Angel, »der junge Fraul war bei mir und hat mich gefragt, wieso er nicht den Malcolm bekommt. ›Geh zum Schönn‹, wollte ich ihn abwimmeln, aber er hat mir einen Termin abgeschnorrt, mir dann über seinen Vater, den edlen und so guten, die Ohren vollgeredet. Der sei wie Dun
can, und deswegen muss er unbedingt den Malcolm spielen. Was sagst du dazu?«
    »Mir doch egal«, gab ich ihm zur Antwort.
    Das ist ein Ehrgeizbolzen. Der verbündet sich mit allen, ist ständig auf dem Quivive. Auch bei mir brät er sich ein, eine Scharwenzelei ist

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