New Heroes - Die Zeit der Superhelden
Was vor zehn Jahren geschah …
Renata Soliz stand mitten auf einem freien Feld und sie stand der heranrückenden Gestalt genau im Weg.
Renata trug graue Jeans und ein einfaches rotes T-Shirt. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie im Nacken mit einem Haarband zusammengebunden – eigentlich ein ganz normales Mädchen, nur mit dem Unterschied, dass sie dicke Lederhandschuhe und eine schwarze Zorro-Maske trug, die sie sich von ihrem kleinen Bruder »geborgt« hatte.
Die Mittagssonne brach durch die Wolkendecke und warf ihre Strahlen auf den groß gewachsenen Mann, der auf sie zukam.
Renata wich nicht zurück. Gelassen blickte sie ihm entgegen.
Obwohl Dioxin noch gut zwanzig Meter entfernt war, konnte Renata seinen Todesgestank bereits riechen, einen eitrigen, feucht-modrigen Geruch, der Renata an die verrottenden Balken im Keller des Hauses ihrer Großmutter erinnerte. Dioxin grinste verächtlich, als er über das ungepflügte Feld auf sie zustapfte, und sein Grinsen breitete sich immer mehr auf seinem pockennarbigen, gelb und rot gefleckten Gesicht aus, sodass es wie eine offene Wunde wirkte. »Hast wohl nicht mal genug Hirn, um dich in Sicherheit zu bringen, kleines Mädchen?«
Immer noch kam er auf sie zu, und wo seine nackten Füße das Gras niedertraten, verwelkte es sofort.
Renata beobachtete ihn aufmerksam. Sie wusste alles über Dioxin, wusste, wozu er fähig war. Seine Haut sonderte ein zähes, klares, säureähnliches Gift ab und mit jeder Berührung konnte er seinen Gegnern das Fleisch von den Knochen ätzen oder sie mit seinem tödlichen Gift infizieren.
Dioxin blieb zwei Meter vor Renata stehen. »Ich meine es ernst. Lauf, solange du noch kannst.«
Energy hatte mal zu Renata gesagt, von allen Superschurken, mit denen sie es je zu tun bekommen hatte, habe ihr Dioxin die größte Angst eingejagt. Ragnarök war unglaublich intelligent, stark und schnell; Brawn war vier Meter groß und konnte einen Schnellzug in voller Fahrt vom Gleis fegen; Slaughter war eine absolut gewissenlose Killermaschine – aber sie alle waren nichts im Vergleich zu Dioxin.
»Na, wie nennt man dich denn?«, schnaubte Dioxin verächtlich.
»Diamond.«
Dioxin betrachtete sie von oben bis unten. »Und was soll das alles, Kleine? Du willst mir doch nicht etwa weismachen, dass du zu Titans Leuten gehörst! Du bist doch höchstens – wie alt, fünfzehn?«
»Vierzehn.«
»Vierzehn. Aha. Soso. Und du glaubst, du könntest mich aufhalten?«
Und beim letzten Wort warf sich Dioxin auf sie, die Giftarme nach ihr ausgestreckt.
Paragon überprüfte schnell die Informationen, die auf der Innenseite seines Visiers eingeblendet wurden. Die Schubkraft war auf weniger als 40 Prozent gefallen.
Ein Plasmablitz traf ihn an der rechten Schulter und brannte ein Loch in seine Armierung. Er wich nach rechts aus, hakte schnell das noch immer glühende Schulterpolster aus und ließ es auf den Boden fallen. Auf seiner dunklen Haut erschien ein tiefer roter Wulst. Er gehörte zu den wenigen noch aktiven Superhelden, die keine übermenschlichen Fähigkeiten besaßen, sodass er sich zum einen auf seine Armierung und seine Waffen, zum anderen auf seine angeborene Intelligenz und sein athletisches Geschick verlassen musste. Aber es gab eben auch Situationen, in denen alles zusammen nicht ausreichte.
Paragon schwitzte, und das nicht nur vom Gewicht seiner Rüstung oder von der Hitze des Plasmablitzes.
Sondern weil er wirklich tief in der Patsche saß.
Monatelang hatte man von Ragnarök nichts gehört und nichts gesehen – und nun das: eine hundert Meter lange mobile Festung, die durch Pennsylvania auf New York City zurumpelte. Dieser ungeheure Panzer machte vor rein gar nichts halt: Autos, Bäume, sogar ganze Häuser wurden von seinen riesigen Rädern einfach plattgewalzt. Weder Polizei noch Armee konnte die Maschine aufhalten; sie konzentrierten sich deshalb darauf, die Leute aus den Häusern zu evakuieren, die dem Riesenpanzer im Weg standen.
Ein weiterer Plasmablitz zischte auf ihn zu. Paragon schaltete schnell die Schubkraft seines Jetpacks herunter und ging in einen steilen Sturzflug über, den er aber so steuerte, dass er direkt vor dem gewaltigen Kampfpanzer niedergehen würde.
Zehn Meter über dem Boden gab er wieder vollen Schub und fand sich plötzlich Auge in Auge mit Ragnarök, der allerdings von der Windschutzscheibe des Panzers geschützt wurde. Und die bestand aus meterdickem Panzerglas.
Für den Bruchteil einer
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