Der Kampf mit dem Dämon
überkommen. Ohne die Ekstase aber irrt er, ein »Blindgeschlagener«, durch die entgötterte Welt. »Pan ist für ihn tot, wenn Psyche stirbt«, das Leben ein grauer Haufen Schlacke ohne die Feuerflamme des »blühenden Geistes«. Seine Trauer aber ist machtlos wider die Welt, seine Schwermut ohne Musik: Dichter des Morgenrots, bleibt er stumm in der Dämmerung.
Der ihn am nächsten kannte und ihn oft in den Tagen des verdunkelten Geistes gesehen, Waiblinger, hat ihn Phaethon genannt in einem Roman. Phaethon – so bildeten die Griechen den schönen Jüngling, der auf dem feurigen Wagen des Gesangs zu den Göttern sich schwingt. Sie lassen ihn nah heran, ein Streif von Licht klingt sein tönender Flug durch die Himmel – dann stürzen sie ihn mitleidlos ins Dunkle hinab. Die Götter strafen, die sich erkühnen, ihnen zu sehr zu nahen: sie zerschmettern ihren Leib, blenden ihren Blick und werfen die Kühnen in den Abgrund des Schicksals. Aber sie lieben die Verwegenen zugleich, die ihnen entgegenbrennen, und setzen ihren Namen dann, heiliger Ehrfurcht zum Beispiel, als reine Bildgestalt unter ihre ewigen Sterne.
Ausfahrt in die Welt
Oft schläft, wie edles Samenkorn
Das Herz der Sterblichen in toter Schale,
Bis ihre Zeit gekommen ist.
Wie in ein feindliches Land tritt Hölderlin aus der Schule in das Leben. Noch im rollenden Postwagen schreibt er – symbolisch genug! – jenen Hymnus »Das Schicksal«, an die »Mutter der Heroen, die eherne Notwendigkeit«. In der Stunde der Ausfahrt ist der magisch Ahnungsvolle schon gerüstet für den Untergang.
In Wahrheit ist alles für ihn auf das beste bereitet. Kein Geringerer als Schiller hat ihn, da der Vikariatskandidat den mütterlichen Wunsch, Pfarrer zu werden, unbedingt verweigert, als Hauslehrer bei Charlotte von Kalb vorgeschlagen; kaum irgendwo in den dreißig Provinzen des damaligen Deutschland kann der vierundzwanzigjährige Schwärmer ein Haus erhoffen, wo dichterischer Enthusiasmus so geehrt, nervöse Empfindlichkeit und Schüchternheit des Herzens so sehr verstanden werden könnte als bei Charlotte, die selbst eine »unverstandene Frau« war und als frühere Geliebte Jean Pauls für eine sentimentalische Natur volles Verständnis haben mußte. Der Major kommt ihm freundlich entgegen, der Knabe mit inniger Anhänglichkeit, die Morgenstunden werden ihm vollkommen für seine dichterische Produktion freigegeben, Spaziergänge und gemeinsame Ausritte lassen ihn die geliebte und lang entbehrte Natur wieder nahe empfinden, und bei Ausflügen nach Weimar und Jena führt ihn die vorsorgliche Frau in edelsten Kreis: er darf Schiller und Goethe kennenlernen
. Ein vorurteilsloses Gefühl kann nicht zögern, einzugestehen, daß Hölderlin nicht besser geborgen sein konnte. Seine ersten Briefe schwellen auch über von Enthusiasmus, ja selbst von einer ungewohnten Heiterkeit: scherzend schreibt er der Mutter, »seit er keine Sorgen und Grillen mehr habe, beginne er dick zu werden«, rühmt die »zuvorkommende Gefälligkeit« seiner Freunde, die des kaum begonnenen Hyperion erste Bruchstücke in Schillers Hand und damit der Öffentlichkeit übergeben. Einen Augenblick lang hat es den Anschein, als sei Hölderlin beheimatet in der Welt.
Aber bald hebt sich die dämonische Unruhe in ihm empor,jener »furchtbare Geist der Unrast«, der ihn »wie Wasserflut auf Bergesgipfel« treibt. Aus den Briefen beginnt eine leichte Verdüsterung zu sprechen, Klagen über die »Abhängigkeit«, und plötzlich bricht die Ursache hervor: er will fort. Hölderlin kann nicht in einem Amt, in einem Beruf, in einem Kreise leben: jede andere als eine poetische Existenz ist ihm unmöglich. Noch mag es ihm in dieser ersten Krise nicht bewußt sein, daß nur eine innere Dämonie ihm eifersüchtig jede weltliche Beziehung unhaltbar macht, noch benennt er, was die immanente Entzündlichkeit seines Triebwillens ist, mit äußeren Ursachen: diesmal ist es die Verstocktheit des Knaben, sein heimliches Laster, das er nicht bändigen kann. Man fühle daran Hölderlins ganze Unfähigkeit zum Leben: ein neunjähriger Knabe ist stärker im Willen als er. So läßt er die Stellung. Charlotte von Kalb, die im vollsten Verstehen ihn scheiden sieht, schreibt der Mutter (um sie zu trösten) die tiefere Wahrheit. »Sein Geist kann sich zu dieser kleinlichen Mühe nicht herablassen ... oder vielmehr sein Gemüt wird zu sehr davon affiziert.«
Von innen heraus zerstört
Hölderlin also alle ihm gebotenen
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