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Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Ohr.
    »Nichts, Mylady. Ich wollte mich nur vergewissern, ob mein Diener die Pferde ordentlich untergebracht hat.«
    Die alte Frau klopfte mit einem kleinen Hammer auf den Tisch.
    »Ihr werdet zuhören, verdammt, wenn ich mit Euch rede!« Corbett faltete die Hände und klemmte die Unterlippe fest zwischen die Zähne, während er sich an die Geschichten über Lady de Lacey erinnerte; sie war mehrmals mit ihrem Gemahl ins Feld gezogen und scheute sich nicht, eine Sprache zu benutzen, die selbst abgehärtete Söldner zum Erröten gebracht hätte. Er warf rasch einen Blick in die Runde. Außer Lady Catherine Fitzwarren hatten erstaunlicherweise alle Platz genommen und saßen gesenkten Hauptes da; einige Schultern bebten allerdings, und Corbett sah mit Erleichterung, daß er nicht der einzige war, der die Situation komisch fand. Regungslos blieb er sitzen, während Lady Imelda die Schilderung der Ordensarbeit mit ätzenden Worten vollendete.
    »Am Ende dieser Versammlung, und erst dann«, verkündete sie herrisch, »wird unsere Subpriorin, Lady Catherine, Euch helfen. Sie und ihre Gefährtin, Lady Mary Neville.« De Lacey schnippte mit den Fingern und deutete über den Tisch auf eine der Frauen, die daraufhin den Kopf hob und sie anschaute.
    Corbett und Ranulf betrachteten die zierlichen, olivhäutigen Züge der Lady Mary. Ranulf brauchte nur einen Blick in die dunkelblauen Augen zu werfen, und gleich schluckte er, denn der Hals wurde ihm trocken und das Herz schlug schneller. Noch nie hatte er eine solche Schönheit gesehen, und obgleich Ranulf schon viele Frauen gehabt hatte, wußte er jetzt, da er in diesem seltsamen Kapitelsaal saß, daß er sich zum ersten und vielleicht letzten Mal im Leben bis über die Ohren verliebt hatte. Die Frau lächelte sanft und wandte den Blick dann ab. Ranulf starrte sie hungrig an, und der Rest der Sitzung verlief für ihn in einem fernen Summen.
    Auch Corbett betrachtete die junge Witwe, als sie sich abwandte. Das kann doch nicht sein, oder? dachte er. Nein, es konnte nicht sein! Er war erschrocken, und seine Hände wurden eiskalt. Lady Mary hatte den gleichen Vornamen, das gleiche Aussehen, die gleiche Haltung wie seine erste Frau, die vor Jahren gestorben war. Corbett konnte es nicht fassen, und vor lauter Schrecken vergaß er seine gewohnte Wachsamkeit und merkte überhaupt nicht, daß Lady Mary auf seinen Diener ganz ähnlich wirkte. Cade indessen betrachtete die beiden mißtrauisch und stieß Corbett sanft mit dem Ellbogen an.
    »Ihr, Sir«, schrie Lady Imelda quer über den Tisch, »seid Ihr Master Corbett, oder seid Ihr irgendein Geck, ein schwerhöriger Bengel? Ich rede mit Euch!«
    Corbett lächelte schmal und verneigte sich. »Mylady, ich bitte um Entschuldigung, aber der Ritt von Winchester hierher war anstrengend.«
    Er betrachtete das alte, herrische Gesicht, die straffen Wangen, den falkenhaften Ausdruck, und widerstand dem Drang, es dieser Lady in gleicher Münze heimzuzahlen. Er zwang sich zur Konzentration, und trotz der gespenstischen Atmosphäre im Saal begann er, diese höfisch erzogenen Damen im stillen zu bewundern — die einzigen Menschen in London, die sich für die Scharen der zur Prostitution verdammten jungen Frauen zu interessieren schienen.
    Die Versammlung wandte sich einer Angelegenheit nach der anderen zu. Lady Imelda beschrieb, wie sie die Stadt unter sich aufgeteilt hatten; jede hatte für ein bestimmtes Viertel zu sorgen. Sie hatten Heime eingerichtet, bei St. Mary von Bethlehem, in der Mark Lane am Tower, in Lothbury und an der Kreuzung der Night Rider und Thames Street. Sie sorgten für Geld und Kleidung, arrangierten Ehen für einige jüngere Mädchen, während andere gekleidet und gespeist wurden und ein paar Pennies bekamen, damit sie in die Dörfer und Städtchen zurückkehren konnten, aus denen sie gekommen waren.
    Corbett spürte das pure Mitgefühl hinter den Schilderungen der Lady Imelda, eine echte Sorge um andere, die weniger glücklich waren als sie. Er erfuhr, daß der Orden schon seit über zwanzig Jahren bestand und daß die Damen enge Verbindungen zu den Spitälern von St. Bartholomew und St. Anthony unterhielten, wo Arzte ihnen ihre Dienste unentgeltlich zur Verfügung stellten und Apotheker ihnen Kräuter und Arzneien zu stark verminderten Preisen überließen. So etwas war doch besser, dachte Corbett, als die hohlköpfigen Schmetterlinge bei Hofe, die sich mit Juwelen behängten, in Atlasseide kleideten, und in deren leeren Birnen

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