Der Kapuzenmörder
heftig auf die Schulter. »Hier ist alles in Ordnung.« Warfield lächelte Corbett an. »Bruder Richard ist mein Gehilfe und tut überaus eifrig seine Pflicht.«
»Gut«, versetzte Corbett knapp. »Dann könnt Ihr mir ja beide den Eingang zur Krypta zeigen.«
Er wandte sich ab, aber er sah noch, wie Warfield und sein dicker Gehilfe rasch einen warnenden Blick wechselten.
FÜNF
A dam von Warfield führte sie hinüber zur Abteikirche; die steinernen Säulen und Gänge erstreckten sich vor ihnen in Grabesstille. Die Luft roch muffig, und der bittersüße Geruch von Weihrauch und verrottenden Blumen drang Corbett in die Nase. Die Schattenflecken wurden von aufstrahlendem Sonnenlicht durchbrochen, das durch Buntglasfenster hoch oben in den Wänden fiel. Siegingen durch ein Querschiff, und ihre Schritte klangen hohl; sogar ihr Atem schien in den endlosen Höhen des Deckengewölbes widerzuhallen. Endlich kamen sie zum südlichen Querschiff, das von einer mächtigen, mit Stahlbändern und eisernen Nägeln verstärkten Eichenholztür versperrt war. Wo die Tür an den Rahmen stieß, war der Spalt mit großen Klecksen von scharlachrotem Wachs versiegelt, die den Abdruck des Schatzkanzlersiegels trugen. Die Tür war mit drei Riegeln verschlossen, von denen jeder wiederum mit zwei Vorhängeschlössern gesichert war.
»Für jedes Schloß«, erklärte Adam von Warfield, »gibt es zwei Schlüssel. Den einen hat der König, den anderen der Bürgermeister.« Er deutete auf das Schlüsselloch. »Auch das ist versiegelt.«
Corbett hockte sich nieder und betrachtete die große, purpurrote Wachsscheibe, die vom Kanzler besiegelt worden war. Er untersuchte alles genau.
»Nichts ist gebrochen«, sagte er. »Aber was ist, wenn der König hineinwill?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Cade. »Die Herren der Schatzkanzlei haben es unmißverständlich gesagt: Die Tür darf nicht geöffnet werden, wenn der König nicht selbst zugegen ist. Bisher hat er genug Silber und Gold, und wenn er mehr braucht, wird er Barren schmelzen, die noch im Tower lagern.« Cade verzog das Gesicht. »Der Frieden mit Frankreich«, ergänzte er, »führt dazu, daß der König diesen Schatz nicht anzugreifen braucht.«
Corbett nickte. Alles machte einen sicheren Eindruck, und was Cade sagte, rief eine Erinnerung an den Hofklatsch wach: Beamte des Schatzamtes hatten sich ihm gegenüber gebrüstet, noch habe der König keine Silberteller einschmelzen müssen, um seine Soldaten zu bezahlen.
Er klopfte an die Tür.
»Und dahinter ist die Treppe?«
Adam von Warfield seufzte genervt. »Ja, und sie ist zertrümmert. Wer versuchen wollte, die Tür aufzubrechen, würde bald entdeckt werden. Ihr sagtet, Ihr wolltet die Schwestern der Hl. Martha sehen?«
Und ohne eine Antwort abzuwarten, führten der Sakristan und Bruder Richard die drei zur Abteikirche hinaus in den Kreuzgang. Ein viereckiger Säulengang umgab den Garten, eine grüne Insel aus saftigem Gras mit einem Springbrunnen in der Mitte, den die Vögel zwitschernd umschwirrten. Durch eine kleine Tür und weitere Gänge gelangten sie in den Kapitelsaal.
Corbett hörte Stimmengemurmel, das verstummte, als sie über die Schwelle traten. Drinnen blinzelte er. Die Fensterläden waren zwar nicht geschlossen, aber es war doch dunkel im Raum, und Kerzen leuchteten in verschatteten Nischen und auf dem Eichentisch, an dem eine Gruppe von Frauen saß. Corbett spürte eine Atmosphäre von Trauer, als sie alle zu reden aufhörten und zu ihm herüberschauten. Erst waren sie Verschwommen und im schlechten Licht nicht genau zu erkennen, und so spähte er genauer hin. Alle Frauen trugen dunkelblaue Hauben, die mit goldenen Schnüren gehalten wurden. Ihre Kleider und Kittel waren von unterschiedlicher Farbe, aber darüber trugen sie Wappenröcke, die zur Haube paßten. Er bemühte sich, die Wappen, die darauf abgebildet waren, zu erkennen, und erkannte die Gestalt Christi und eine Frau, die neben ihm kniete — vermutlich die hl. Martha. Unter dem Tisch schimmerten bloße Fußknöchel, und er begriff, daß diese Damen, so hochwohlgeboren sie auch sein mochten, es ganz wie manche vornehme Witwen hielten, die in ihrem geistlichen Leben einer klösterlichen Regel folgten. Befangen hörte er, wie seine eigenen Stiefel auf dem Holzfußboden dröhnten, als er seine Begleiter durch den Raum führte. Er merkte allerdings, daß Cade und die beiden Mönche sich zurückhielten, als wollten sie sich am liebsten
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