Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
Vom Netzwerk:
kein Gedanke kreiste als der, wie wohl ihre Gesichter aussahen und wie sie sich den Bauch vollschlagen konnten.
    Die Versammlung endete schließlich mit einem Gebet, und als die anderen Schwestern sich, die Männer schüchtern anlächelnd und untereinander tuschelnd, zum Gehen anschickten, führten Lady Catherine und Lady Mary sie zu einer kleinen Kammer, die an den Kapitelsaal grenzte. Lady Imelda brüllte Corbett unvermittelt ins Ohr, sie hoffe, daß der König seine Schultern warmhalte und die Kräutertränke zu sich nehme, die sie ihm schicke.
    »Der König hat schon immer an Rheuma gelitten«, trompetete die alte Dame so laut, daß halb Westminster sie hören konnte. »Und als Junge hatte er ständig Schnupfen. Bei der heiligen Messe, ich wünschte, ich wäre wieder bei ihm! Mit einem guten, starken Pferd zwischen den Beinen würde ich den verfluchten Schotten schon eine Lektion erteilen!« Ihre Stimme verhallte, als die Tür sich hinter ihnen schloß.
    Lady Catherine lächelte matt, aber ihre Gefährtin lehnte sich an die Wand, hielt die Hand vors Gesicht und kicherte fassungslos.
    »Ihr müßt es Lady Imelda wirklich nachsehen«, sagte Lady Catherine leise, als sie sich auf Schemeln um einen wackligen, niedrigen Tisch setzten. »Sie wird stocktaub, ihre Sprache kann ganz schön drastisch werden, aber sie hat ein goldenes Herz.« Lady Catherine blies die Wangen auf. »Tja, ich fürchte, wir haben hier keinen Wein.«
    Corbett zuckte die Achseln und sagte, das mache nichts. Er interessierte sich mehr für seinen Diener, der Lady Mary wie gebannt anstarrte, und er folgte Ranulfs Blick. Sie ist wirklich schön, dachte Corbett, und so sanft wie ein Reh. Dann ballte er die Fäuste im Schoß; er mußte die Vergangenheit vergessen, und er mußte Ranulf warnen: Lady Mary Neville war nicht irgendeine Dirne, mit der man tändeln und flirten konnte. »Nun?« Lady Catherine beugte sich vor. »Was habt Ihr für Fragen, Sekretär?« Sie hüstelte und warf ihrer Gefährtin einen Blick zu. »Wir wußten, daß Ihr kommen würdet«, fuhr sie dann fort. »Der König hat uns vorbereitet. Aber Lady Imelda benimmt sich immer so.« Lady Fitzwarren strich den blauen Überwurf auf den Knien glatt. »Ihr möchtet mit uns über den Tod der Mädchen sprechen.«
    »Ja, Mylady.«
    »Wir wissen nichts. Oh, wir haben versucht, etwas in Erfahrung zu bringen, aber selbst unter den Frauen, mit denen wir arbeiten, gibt es keinerlei Hinweis, nicht einmal ein Flüstern, und keinen Verdacht, wer der Mörder sein könnte.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Wißt Ihr, wir kümmern uns um die Unglückseligen, die allem Anschein nach sogar von Gott verlassen sind. Natürlich glauben Wir nicht, daß es so ist. Wir interessieren uns nicht für das, was sie tun oder wen sie kennen, wohin sie gehen und welche Männer ihren Körper benutzt haben. Wir interessieren uns nicht einmal für ihre Seelen. Wir sorgen für sie als Menschen, als Frauen, die in der Falle der Armut und der Unwissenheit gefangen sind und durch leere Verheißungen falscher Reichtümer verleitet wurden. Wir glauben, wenn wir sie nur davor erretten, wird auch alles andere wieder gut.«
    Corbett betrachtete die Frau. Sie war ihm rätselhaft. Sie war schroff und doch sanft, idealistisch und doch pragmatisch. Er warf einen Seitenblick auf Ranulf und wünschte, er würde aufhören, Lady Mary anzustarren, und sie würde aufhören, ihn mit diesen dunklen Rehaugen anzuschauen, die in seiner eigenen Seele solche Erinnerungen weckten.
    »Ihr wißt also nichts?« fragte er.
    »Nichts — kein Jota, kein Fitzelchen.«
    »Lady Mary, ist das wahr?«
    Corbett wandte sich um, ohne auf Lady Fitzwarrens ärgerliches Zischen zu achten. Die junge Frau räusperte sich.
    »Was Lady Catherine sagt, stimmt.«
    Ihre Stimme war sanft, aber Corbett hörte den rollenden Unterton, die musikalischen Spuren eines Akzents. Es klang beinahe schottisch, und Corbett erinnerte sich, daß die Nevilles eine mächtige Familie waren, der ausgedehnte Ländereien in Westmoreland und in der nördlichen Grenzmark gehörten.
    »Wir wissen nichts, außer daß jemand mit einer nachtschwarzen Seele diese Unglücklichen ermordet«, sagte sie leise. »Anfangs bin ich noch zu den Beerdigungen in St. Lawrence Jewry gegangen, bei den ersten drei oder vier, aber dann habe lch aufgehört. Könnt Ihr das verstehen, Sir Hugh? Zum Ende eines Lebens muß doch sicher mehr gehören als ein schmutziges Laken, in das man

Weitere Kostenlose Bücher