Der Kapuzenmörder
ihn bei der Hand. »Du bist aufgebracht, Hugh. Komm zu mir in die Küche. Ich bereite das Abendessen.« Corbett folgte ihr durch die Diele und half ihr, das Essen zuzubereiten, und Maeve plauderte über dies und das und versuchte, ihren Mann auf andere Gedanken zu bringen. Er sah ihr immer gern beim Kochen zu; sie war so erfahren, so sauber und ordentlich, und die Gerichte, die sie auf den Tisch brachte, dufteten stets köstlich. Nach dem hartgebackenen Brot und dem fauligen Fleisch der Londoner Tavernen und der königlichen Küchen wußte Corbett besonders zu schätzen, was sie kochte.
Geschickt schälte sie das weiße Fleisch eines gebratenen Huhns von den Knochen, würfelte es mit einem kleinen Messer, schabte die Portion in eine Schüssel und mischte Öl und Kräuter darunter. Dann blickte sie erschrocken auf, denn ihr Mann schnappte plötzlich nach Luft. Mit offenem Mund stand er da und starrte sie an.
»Hugh«, rief sie, »was ist denn?«
»Natürlich!« flüsterte Corbett wie in Trance. »Oh, bei den Zähnen der Hölle — natürlich!« Er legte das Messer weg, das er in der Hand gehalten hatte, und ging wie ein Schlafwandler auf die Küchentür zu.
»Hugh!« rief Maeve noch einmal.
Er schüttelte nur den Kopf und ließ seine Frau verwirrt und verärgert zurück. Draußen in der Diele starrte Corbett die weiß verputzte Wand an; er war von seinen eigenen Gedanken so überrascht, daß er das heiße Gesicht an die Wand lehnte und die Kühle genoß.
»Nein«, flüsterte er, »das kann doch gewiß nicht sein?« Ranulf kam den Gang heruntergelaufen. »Master, fehlt Euch etwas?«
»Nein, nein«, antwortete Corbett geistesabwesend. »Ich bin froh, daß es Maltote gutgeht.« Er klopfte dem überraschten Ranulf auf die Schulter. »Lady Maeve braucht vielleicht Hilfe.« Er schüttelte sich und machte schmale Augen. »Was habe ich gesagt, Ranulf?«
Der Diener schüttelte nur den Kopf. »Habt Ihr getrunken, Master?«
»Nein«, murmelte Corbett und marschierte den Gang hinunter zu seinem Arbeitszimmer. »Nein«, wiederholte er, »aber ich wünschte bei Gott, ich hätte!« In seiner Schreibstube schlug Corbett den Heiligenkalender am Ende eines Stundenbuchs auf, und dann saß er eine Stunde lang da und schrieb wie wild, während er die Idee entwickelte, die ihm in der Küche so überraschend gekommen war. Er versuchte seine eigene Theorie zu widerlegen, aber wie er es auch anstellte, die Schlußfolgerung, zu der er gekommen war, ließ sich nicht erschüttern, und er verfluchte seinen eigenen Mangel an Logik.
»So simpel«, murmelte er und starrte aus dem Fenster. »Ich kenne die Person, die die Morde begangen hat, und ich kann es nachweisen. Aber was sonst noch?«
Er stand auf, ging zur Tür und rief nach Ranulf.
»Komm schon, Mann!« drängte er. »Wir haben in der Stadt etwas zu erledigen. Du bringst diese Botschaft hier zu Lady Mary Neville.«
Er ging zu seinem Schreibpult und kritzelte ein paar Worte auf ein Stück Pergament, das er dann mit geschickten Fingern zusammenfaltete und versiegelte.
»Gib ihr das, und beobachte ihre Augen. Und dann gehst du zum Rathaus und tust folgendes...«
Corbett hörte Maeves Schritte in der Diele, und so flüsterte er Ranulf, dessen Überraschung immer weiter zunahm, seine Anweisungen hastig ins Ohr.
»Master, das ist doch töricht!«
»Tu, was ich sage, Ranulf. Geh jetzt!«
»Was ist los, Hugh?«
Corbett nahm seine Frau in den Arm und küßte sie auf die Stirn. »Ich war ein Dummkopf, Maeve. Aber habt Geduld mit mir.«
Er ging Schwertgurt, Stiefel und Mantel holen, rief Frau und Tochter einen Abschiedsgruß zu und lief auf die dunkle Straße hinaus. Am Fish Quay nahm er ein Boot, und ohne auf das Geplapper des Bootsmanns zu hören, saß er in seinen Mantel gehüllt auf der Bank, während das Boot, von der Tidenströmung beschleunigt, zur Königstreppe nach Westminster hinunterglitt. Auf dem Gelände von Abtei und Palast wimmelte es jetzt von Soldaten und Bogenschützen, die sich aus den Ästen benachbarter Bäume Unterstände gebaut hatten, während für die Offiziere Pavillons aus rauhem Segeltuch aufgeschlagen worden waren.
Corbett wurde ständig angehalten, aber nachdem er seine Papiere vorgewiesen hatte, ließ man ihn die einzelnen Sperrgürtel rings um die Abtei passieren, bis er am Kapitelhaus angekommen war. Ein Offizier hatte jetzt die Schlüssel der Abtei, und er schloß die Tür auf.
»Holt Euch drei Männer und bleibt draußen stehen«, befahl Corbett.
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