Der Kardinal im Kreml
AuÃenministerium ging â er erklärte, das Gehalt sei ähnlich und als Polizeireporter käme man nicht so weit herum. Seine Frau blieb meist zu Hause bei den Kindern, sprang aber gelegentlich als Aushilfslehrerin an der anglo-amerikanischen Schule im Leninski-Prospekt 78 ein. Ihr ältester Sohn spielte Hockey, und die KGB-Männer, die ihnen überallhin folgten, hatten in ihrer Akte stehen, Edward Foley II sei für seine sieben Jahre erstaunlich gut. Ãrgerlich fand die sowjetische Regierung an der Familie nur die unangemessene Neugierde, mit der sich der ältere Foley um das Verbrechen auf den StraÃen der Hauptstadt kümmerte, das wesentlich zahmer war als das, was er in New York beschrieben hatte. Doch damit war nur seine relative Harmlosigkeit bewiesen. Für einen Geheimdienst konnte er nicht arbeiten, dafür war seine
Neugier viel zu offensichtlich. SchlieÃlich waren Agenten bemüht, sich nach Möglichkeit unauffällig zu verhalten.
Die letzten StraÃen von der Metrostation zur Botschaft ging Foley zu FuÃ. Er nickte erst dem Milizionär vor dem Eingang des bedrohlich wirkenden Gebäudes höflich zu, dann dem Marineinfanteristen in der Halle. Offiziell wurde die Botschaft vom AuÃenministerium als âºeng und schwer instand zu haltenâ¹ beschrieben. Genausogut könnte man eine ausgebrannte Mietskaserne in der Bronx als âºattraktiven Altbauâ¹ bezeichnen, dachte Foley. Sein Büro, ehemals ein Lagerraum mit Besenkammer, war bei der letzten Renovierung entstanden. Die CIA benutzte den Raum, dessen Besenkammer zu einer Dunkelkammer umgebaut worden war, nun schon seit zwanzig Jahren, aber Foley war der erste Bürochef, den man hier untergebracht hatte.
Foley, dreiunddreiÃig, hochgewachsen und sehr schlank, war ein New Yorker irischer Abstammung, in dem sich hohe Intelligenz mit sehr langsamem Puls und einem Pokergesicht verband. Er war im letzten Studienjahr von der CIA rekrutiert worden und hatte vier Jahre bei der New York Times gearbeitet, um seine âºLegendeâ¹ aufzubauen. In der City-Redaktion entsann man sich seiner als ausreichend guten, wenngleich faulen Reporter, der eine fachmännische Prosa schrieb, aber im Grunde nie auf die Suche nach Stories ging. Sein Redakteur hatte ihn ohne Bedauern an die Regierung verloren. Der augenblickliche Korrespondent der New York Times nannte ihn einen Nebbich, einen langweiligen obendrein, und zollte ihm so das höchste Kompliment im Spionagegeschäft: Der? Für den Geheimdienst ist der doch viel zu dumpf. Aus diesem und anderen Gründen hatte man Foley mit der Führung des ältesten und produktivsten im inneren Zirkel plazierten Agenten der CIA betraut: Oberst Michail Semjonowitsch Filitow, Codename KARDINAL. Der Name an sich war schon so geheim, daà nur fünf Leuten in der Agency bekannt war, daà er mehr bedeutete als einen rotgewandeten hohen Kirchenmann mit diplomatischem Rang.
Rohinformationen von KARDINAL wurden als Special Intelligence/Eyes Only-DELTA klassifiziert, und für die Geheimhaltungsstufe DELTA waren in der ganzen amerikanischen Regierung nur sechs Männer zugelassen. Jeden Monat wechselte man das Codewort für die Daten selbst; diesen Monat lautete es SATIN, und diese Informationen waren nur knapp zwanzig anderen Leuten zugänglich. Selbst unter diesem Titel wurden die Informationen unweigerlich umformuliert und mit versteckten Ãnderungen versehen, ehe sie die DELTA-Bruderschaft verlieÃen.
Foley nahm die Filmkassette aus der Tasche und schloà sich in der Dunkelkammer ein. Den Entwicklungsprozeà beherrschte er im Schlaf. Binnen sechs Minuten war die Arbeit getan, und Foley räumte auf.
Foley folgte seit dreiÃig Jahren unveränderten Prozeduren. Er schaute sich die sechs Aufnahmen durch einen vergröÃernden Kleinbildbetrachter an, prägte sich jedes Bild ein und begann, auf seiner privaten Reiseschreibmaschine eine Ãbersetzung zu tippen. Es handelte sich um ein mechanisches Modell, dessen Farbband so abgenutzt und verschlissen war, daà selbst das KGB mit den Abdrücken nicht viel anzufangen wissen würde. Wie viele Reporter war er ein schlechter Maschinenschreiber, häufig übertippte er und ixte er aus. Auf dem chemisch behandelten Papier konnte er nicht radieren. Für die Transkription brauchte er über zwei Stunden. Als er fertig war, prüfte er den Film noch einmal, um sich davon zu
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