Der Kardinal im Kreml
verbrachte als die meisten Verkehrspiloten, hatte er Zugang zu den Warteräumen der ersten Klasse. Nach einer Stunde ging eine 747 nach Washington, Dulles International Airport.
Ãberm Atlantik lieà sich der Kurier ein PanAm-Dinner schmecken und genoà einen Film, den er bislang noch nicht gesehen hatte â eine Seltenheit. Als er sein Buch durch hatte, war die Maschine schon im Landeanflug auf Dulles. Fünfzehn Minuten später stieg er in einen unauffälligen Ford der Regierung, der sich nach Südosten wandte. Giannini setzte sich neben den Fahrer.
»Haben Sie das Etui?« fragte der Mann im Fond.
»Ja.« Giannini nahm es aus der Brusttasche und reichte es mit beiden Händen nach hinten. Der CIA-Mann nahm es entgegen, ebenfalls mit beiden Händen, und steckte es in einen mit Schaumstoff ausgeschlagenen Kasten. Der CIA-Mann, ein Spezialist für Selbstschüsse und Bomben, war Ausbilder beim technischen Dienst der CIA. In Langley fuhr er mit dem Aufzug hoch zu Ritters Büro und legte das Etui auf den Schreibtisch.
Ritter ging an seinen Kopierer und vervielfältigte die Bögen aus Flammpapier mehrere Male, nicht so sehr aus Gründen der Sicherheit, sondern zur Unfallverhütung, denn ein Stoà leichtentzündlichen Papiers in seinem Büro war ihm unangenehm. Noch bevor alle Kopien fertig waren, hatte er schon zu lesen begonnen. Wie üblich schüttelte er nach dem ersten Absatz den Kopf. Ritter ging an seinen Schreibtisch und drückte auf den Knopf, der ihn mit dem Büro des Direktors verband.
»Sind Sie beschäftigt? Der Vogel ist gelandet.«
»Kommen Sie rüber«, erwiderte Judge Moore sofort. Nichts war wichtiger als Informationen von KARDINAL.
Auf dem Weg holte Ritter Admiral Greer ab, und dann betraten die beiden das geräumige Büro des CIA-Direktors.
»Sie werden es nicht glauben«, meinte Ritter beim Aushändigen der Bögen, »dieser Mann hat doch tatsächlich Jasow überredet, einen Oberst auf âºBachâ¹ zu schicken und ein âºZuverlässigkeitsgutachten⹠über das ganze System anzufertigen. Dieser Oberst Bondarenko soll dem Minister in allgemeinverständlichen Begriffen berichten. Da Jasow diese Aufgabe an Mischa delegierte, geht der Bericht natürlich erst über dessen Schreibtisch.«
»Dieser junge Mann, den Ryan kennenlernte â Gregory, nicht wahr? â wollte, daà wir jemanden nach Duschanbe einschleusen«, stellte Greer mit einem Lachen fest. »Und Ryan sagte ihm, das sei unmöglich.«
»Ich wünsche nur«, merkte Judge Moore nüchtern an, »jemand würde Mischa klarmachen, daà es alte Spione und kühne Spione gibt, aber nur wenige alte und kühne Spione.«
»Er ist sehr vorsichtig«, meinte Ritter.
»Ich weiÃ.« Der Direktor sah sich die Seiten an.
Seit dem Tod von Dimitri Fedorowitsch ist es im Verteidigungsministerium nicht mehr so wie früher, las Moore. Manchmal frage ich mich, ob Marschall Jasow diese neuen technischen Entwicklungen ernst genug nimmt, aber wem soll ich meine Zweifel vortragen? Würde das KGB mir glauben? Ich muà meine Gedanken ordnen. Genau, erst muà ich meinen Kopf organisieren, ehe ich Vorwürfe erhebe. Aber kann ich die Sicherheitsvorschriften brechen ...
Habe ich denn eine andere Wahl? Wer wird mich ernst nehmen, wenn ich meine Zweifel nicht schriftlich festhalten kann? Es fällt mir schwer, gegen eine so wichtige Vorschrift zu verstoÃen, aber die Sicherheit des Staates muà vorgehen.
So wie Homers Epen mit einer Anrufung der Musen anhoben, begannen die Nachrichten von KARDINAL unweigerlich auf diese Weise. Entwickelt hatte sich die Idee in den sechziger Jahren. Die Meldungen des KARDINALs waren anfangs Fotografien von Blättern aus seinem Tagebuch. Russen sind unverbesserliche Tagebuchschreiber. Jede Eintragung begann mit einem slawischen Schrei aus tiefstem Herzen, seinen Sorgen über die politischen Entscheidungen im Verteidigungsministerium. Manchmal gab er seiner Besorgtheit über die Sicherheitsvorkehrungen für ein spezifisches Projekt oder die Leistungen eines neuen Panzers oder Flugzeuges Ausdruck. In jedem Fall wurden die Meriten eines neuen Waffensystems oder einer politischen Entscheidung eingehend erörtert, aber im Mittelpunkt des Dokuments stand immer ein angenommenes Verwaltungsproblem innerhalb des Ministeriums. Sollte Filitows Wohnung
jemals
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