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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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Während seiner Abwesenheit hatten Techniker der US-Navy es seziert wie Pathologen eine Leiche, hatten die Interkontinentalraketen entfernt, den Reaktorantrieb, die Sonar- und Fernmeldegeräte, die Sehrohre und selbst die Herde aus der Kombüse – alles kam zur Analyse auf Basen im ganzen Land. Er war auf eigenen Wunsch nicht zugegen gewesen, denn sein Haß auf das Sowjetsystem schloß die Schiffe, die es baute, nicht ein. Auf diesem Boot war er gerne gefahren – und Roter Oktober hatte ihm das Leben gerettet.
    Und das von Ryan. Jack fuhr sich über die haarfeine Narbe auf der Stirn und fragte sich, ob sein Blut jemals von der Konsole des Rudergängers gewischt worden war. »Es überrascht mich, daß Sie das Boot nicht selbst hinaussteuern wollten«, bemerkte er, zu Ramius gewandt.
    Â»Nein.« Marko schüttelte den Kopf. »Ich wollte mich nur von ihm verabschieden. Roter Oktober war ein gutes Schiff.«
    Â»Das kann man wohl sagen«, stimmte Jack leise zu. Er betrachtete das zur Hälfte reparierte Loch, das der Torpedo in die Backbordseite gerissen hatte, und schüttelte stumm den Kopf. Die beiden Männer sahen schweigend zu
und standen abseits der Matrosen und Marines, die die Anlage seit dem vergangenen Dezember bewachten.
    Schmutziges Wasser aus dem Elizabeth River strömte in den Betonkasten; das Trockendock wurde geflutet. Heute nacht sollte Roter Oktober auslaufen. Sechs amerikanische Jagd-U-Boote ›desinfizierten‹ gerade den Ozean östlich des Marinestützpunktes Norfolk, angeblich Teil einer Übung, an der auch einige Überwasserschiffe teilnahmen. Es war neun Uhr an einem mondlosen Abend. Noch eine Stunde, dann war das Trockendock geflutet. Die dreißigköpfige Besatzung war bereits an Bord. Sie sollte die Dieselmaschinen starten und das Boot zu seiner zweiten und letzten Fahrt auslaufen lassen. Ziel: der tiefe Ozeangraben nördlich von Puerto Rico, wo Roter Oktober in achttausend Meter Tiefe versenkt werden sollte.
    Ryan und Ramius sahen zu, wie das Wasser über die den Rumpf stützenden Holzblöcke stieg und zum erstenmal seit fast einem Jahr den Kiel des Unterseebootes benetzte. Nun flutete es rascher herein, kroch an den an Bug und Heck aufgemalten Tiefgangsmarken hoch. An Deck des U-Bootes ging eine Handvoll Matrosen in orangefarbenen Schwimmwesten auf und ab, bereit, die vierzehn schweren Trossen loszuwerfen.
    Das Boot selbst blieb stumm, hieß das Wasser mit keinem Anzeichen willkommen. Vielleicht weiß Roter Oktober, welches Schicksal es erwartet, sagte sich Ryan. Ein unsinniger Gedanke – aber er wußte auch, daß Seeleute schon seit Jahrtausenden ihren Schiffen eine Persönlichkeit zuschreiben.
    Endlich hob das Wasser den Rumpf von den Holzblökken; er kam mit dumpfen, eher spür- als hörbaren Schlägen leicht schaukelnd frei.
    Wenige Minuten später sprang grummelnd der Diesel an; die Trossen wurden eingeholt. Gleichzeitig nahm man die Persenning, die die seewärtige Öffnung des Trockendocks verschlossen hatte, herunter; nun sahen alle den Nebel, der draußen überm Wasser hing. Das Wetter war perfekt für das Unternehmen und mußte auch so sein: Sechs
Wochen hatte die Navy auf eine mondlose Nacht und den dicken Nebel gewartet, der sich um diese Jahreszeit oft über die Chesapeake Bay senkte. Als die letzte Trosse losgeworfen war, ließ ein Offizier oben auf dem Turm ein tragbares Preßlufthorn ertönen.
    Die Matrosen auf dem Bug holten die Flagge ein und entfernten den Flaggenstock. Zum erstenmal fiel Ryan auf, daß es die Flagge der Sowjetunion war. Nette Geste, dachte er und lächelte. Am achterlichen Ende des Turms setzte ein Seemann die sowjetische Seekriegsflagge mit dem roten Stern und dem Wappenschild der Rotbannerflotte. Die amerikanische Navy, wie immer traditionsbewußt, ehrte den Mann, der neben ihm stand.
    Ryan und Ramius schauten zu, wie sich das U-Boot mit eigener Kraft rückwärts zu bewegen begann, sacht von den beiden Bronzeschrauben hinaus auf den Fluß getrieben. Ein Schlepper bugsierte es herum, bis sein Bug nach Norden wies, und binnen weniger Minuten war es außer Sicht. Nur das Pochen des Diesels klang noch eine Weile über das ölige Wasser des Kriegshafens.
    Ramius schneuzte sich und blinzelte mehrere Male. Doch als er sich vom Wasser abwandte, klang seine Stimme fest.
    Â»Nun, Ryan, hat man Sie eigens hierfür aus

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