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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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zweihundert Menschen gelebt. Er konnte die Krater sehen, in unregelmäßigen, zwei bis drei Kilometer langen Reihen. Die Bomben waren durch das Tal marschiert, und die Dörfler, die nicht der Tod ereilt hatte, waren nach Pakistan geflohen. Zurückgeblieben war nur Leere. Kein Essen für die Freiheitskämpfer, keine Gastfreundschaft, noch nicht einmal eine Moschee zum Beten. Noch immer fragte sich der Bogenschütze manchmal, warum der Krieg so grausam sein mußte. Wenn Männer gegeneinander kämpften, war das noch ehrenhaft, aber was die Russen da taten ... Und uns nennen sie unzivilisiert!
    So viel war ihm verlorengegangen. Seine Zukunftshoffnungen, sein ganzes früheres Leben gerieten mit jedem Tag weiter in Vergessenheit. Noch immer konnte er die Gesichter seiner Frau und seiner Kinder sehen, aber sie waren nun wie Fotografien – zweidimensionale, leblose grausame Erinnerungen an eine Zeit, die nie wiederkehren würde. Doch sie gaben seinem Leben wenigstens einen Sinn. Wann immer er Mitleid für seine Opfer verspürte, wenn er sich fragte, ob Allah das billigte, was er tat –, dann konnte er die Augen schließen und sich sagen, daß ihm das Jammern eines sterbenden Russen so süß in den Ohren klang wie die leidenschaftlichen Schreie seiner Frau.
    Â»Fliegt weg«, sagte Abdul.
    Der Bogenschütze drehte sich um. Sonnenstrahlen blitzten auf dem Seitenruder der Maschine, die nun über den nächsten Bergkamm flog. Selbst von diesem felsigen Grat aus hätte er die Antonow nicht erreichen können. Die Russen waren nicht auf den Kopf gefallen und flogen nicht
niedriger als unbedingt erforderlich. Wenn er so eine Maschine abschießen wollte, mußte er nahe an einen Flugplatz herankommen ... oder sich eine neue Taktik einfallen lassen. Interessanter Einfall. Der Bogenschütze schritt weiter über den endlosen Felsenpfad und begann sich mit dem Problem zu befassen.
    Â 
    Â»Wird es auch funktionieren?« fragte Morosow.
    Â»Es ist ja der Zweck des Tests, das herauszufinden«, erklärte der Leitende Ingenieur geduldig und dachte an die Zeit, in der er jung und ungeduldig gewesen war. Morosow hatte echtes Potential, das bewies seine Arbeit an der Universität. Der Sohn eines Fabrikarbeiters aus Kiew hatte sich mit Intelligenz und Fleiß einen Platz an einer der Eliteanstalten der Sowjetunion verdient und sie mit Auszeichnung absolviert – so glanzvoll, daß er vom Militärdienst befreit worden war, ungewöhnlich für jemanden, der nicht über politische Beziehungen verfügte.
    Â»Und das ist die neue optische Beschichtung –« Morosow betrachtete sich den Spiegel aus nächster Nähe. Beide Männer trugen Overalls, Masken und Handschuhe, damit sie die Oberfläche von Spiegel 4 nicht beschädigten.
    Â»Wie Sie erraten haben, ist dies ein Element des Tests.« Der Ingenieur drehte sich um. »Fertig!«
    Â»Räumen!« rief ein Techniker.
    Sie kletterten über eine Leiter an der Säule hinunter und dann über einen Steg auf die Betoneinfassung des Loches.
    Â»Ganz schön tief«, bemerkte Morosow.
    Â»Ja, wir müssen feststellen, wie effektiv unsere Maßnahmen zur Vibrationsisolierung sind.« Das machte dem Leitenden Ingenieur noch Kummer. Er hörte den Motor eines Geländewagens, drehte sich um und sah, wie der Kommandant einen anderen Mann ins Lasergebäude führte. Schon wieder Besuch aus Moskau. Wie sollen wir mit unserer Arbeit zu Rande kommen, wenn uns dauernd Parteihengste über die Schulter gucken?
    Â»Haben Sie General Pokryschkin schon kennengelernt?« fragte er Morosow.

    Â»Nein. Was ist er für ein Mensch?«
    Â»Mir sind schon unangenehmere begegnet. Wie die meisten Leute hält er die Laser für die wichtigste Komponente. Lektion Nummer eins, Boris Filipowitsch: Entscheidend sind die Spiegel und die Computer. Die Laser sind nutzlos, wenn wir sie nicht auf einen bestimmten Punkt im Raum richten können.«
    Die Lektion verriet Morosow, für welchen Teil des Projekts der Mann verantwortlich war, doch die wahre Lektion kannte der frischgebackene Ingenieur bereits: Das gesamte System mußte perfekt funktionieren. Ein fehlerhaftes Segment konnte die teuerste Anlage der Sowjetunion in ein Sammelsurium seltsamer technischer Spielereien verwandeln.

5
    Die umgebaute Boeing 767, Codename ›Cobra Belle‹, war kaum mehr als eine Plattform

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