Der Keil des Himmels
dieses Walzenwerks. Man begriff kaum, was sich durch die Zwischenräume dem Blick zeigte. War es eine Hohlform, eine Tiefe, eine erneute Zahnradwand, oder mehrere ineinandergreifende?
Darachel führte ihn über Umläufe, unter denen eine unbestimmbare Tiefe gähnte, zu der Abteilung, die sich dem Gebiet widmete, mit dem sie sich beschäftigten.
„Dies hier sind die Bereiche für klassische idirische Literatur.“ Der Ninra deutete auf gewaltige Flächen von Büchern, die sich um die Turmstruktur herumzogen.
Auric ging ihre Reihen entlang, streifte mit den Fingern über die Buchrücken, entzifferte im Vorbeigehen die Titel. Murinja, Donutrake, Benand, Epokrav, der Ältere und der Jüngere, alle waren sie da. Da war ein ganzes Regal, dass sich nur der Flamme der Alchemie widmete. Er sah Bücher, von denen er bisher nur gehört hatte, die er aber noch nie vorher tatsächlich gesehen hatte. Er sah solche, die als verschollen galten. Er entdeckte Bücher von Torarea, deren Titel ihm unbekannt waren.
Darachel ging hin und zeigte ihm Varianten von bekannten Büchern, welche die gesamte idirische Literaturgeschichte auf den Kopf gestellt hätten. Allein die Vielfalt der Ausgaben und Sammlungen des Rings der Neun war überwältigend.
Auric kam aus dem Staunen nicht heraus.
Dann machte Darachel etwas, von dem die Gesten seiner Hände nur ein schwacher Widerklang waren, die Zahnradsäulen drehten sich, und plötzlich waren da ganz neue Reihen von Büchern.
Bald zogen sie beide verschiedene Bände heraus und begannen zu vergleichen. Es zeigten sich tatsächlich Diskrepanzen zu den Versionen, die Auric kannte, und nach kurzer Zeit waren sie in eine heftige Diskussion über die Bedeutung der Unterschiede vertieft. Darachel hatte sich tatsächlich sehr intensiv damit beschäftigt, wie sich die Ereignisse der Späten Feuerkriege in den Schilderungen der Werke verschiedener Autoren spiegelten und wie die Zusammenstellungen der Episoden von Sammlung zu Sammlung variierten und diese einander erhellten.
„Lass uns in eine andere Abteilung gehen“, schlug Darachel schließlich vor. „Ich will dir etwas zeigen. Es ergeben sich ganz eigene Verbindungen, wenn man sich die Kommentare zu diesen Werken anschaut oder die Schriften, auf die sich diese Bücher beziehen.“
Auric folgte ihm, jetzt auf ebenem Boden statt auf Stegen, durch die enger werdenden Zwischenräume ineinander greifender Büchertürme, durch ein verzweigtes Labyrinth von Klüften, die zwischen den mächtigen Zahnradpfeilern hindurch führten. Er kam sich tatsächlich wie am Grund eines geheimen schmalen Pfades durch ein System von tief eingekerbter Schluchten vor. Die Wände traten erdrückend nah an sie heran und erfüllten ihn aufgrund ihrer Form mit der Angst, sie könnten in Bewegung geraten und sie zermahlen. Nur blaues Licht kam von oben und wurde von Zylindern an den Wänden aufgegriffen, verstärkt und verteilt.
Er starrte auf den Rücken von Darachel vor ihm, um auf dem sich windenden Weg zwischen den Bücherwänden nicht die Orientierung zu verlieren, und plötzlich stand Cenn-Vekanen vor ihnen.
Die hohe Gestalt, die durch die lang fallenden Gewänder selber ein wenig wie eine Säule wirkte, verstellte ihnen den Weg. Was zur Hölle machte ausgerechnet dieser Kerl hier?
„Was hat dieser Menschenmann hier in unserer Bibliothek zu suchen?“
Darachel war durch das Auftauchen Cenn-Vekanens völlig überrascht worden. Ihn hier anzutreffen hatte er am wenigsten erwartet.
„Ich will ihm einige Bücher zeigen.“
„Zu welchem Zweck?“ Cenn-Vekanens Frage kam überraschend schroff. Was sollte das? Er hatte die Enthravanen zwar nicht ausdrücklich um Erlaubnis gebeten, Auric in die Bibliothek mitzunehmen – sie hatten zugestimmt, dass er sich in den allgemeinen Räumen von Himmelsriff frei bewegen könne und Darachel hatte in der Bibliothek kein vertrauliches oder privates Gebiet gesehen –, doch diese Reaktion erschien ihm unangemessen.
„Wir hatten über historische Vorgänge und die Literatur darüber gesprochen, und da wollte ich ihm direkt die entsprechenden Texte zeigen.“
„Ist das notwendig? Dies ist ein Adamainra und dieser Ort stellt das gesammelte Wissensarchiv unseres Volkes dar.“ Cenn-Vekanen wich keinen Schritt. Unversöhnlich und ausdruckslos starr stand er ihnen gegenüber.
Darachel fühlte, wie die Zähne seines Ober- und Unterkiefers sich übereinander schoben und er die Luft heftig durch die Nase ausatmete.
„Wie soll
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